Plötzlich fehlt das Geld für Weihnachtsgeschenke

13. Dezember 2018 Meinungen

Der «Tages-Anzeiger» hat in seiner Ausgabe vom 10. Dezember 2018 eindrücklich gezeigt, wie stark die Lohnbeiträge und die Mehrwertsteuer in der Schweiz schon bald steigen könnten. Als Haupttreiber dieser Entwicklung identifiziert er die demografische Alterung: Zum einen nimmt die Lebenserwartung weiter zu, zum andern gehen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer zwischen 2020 und 2035 in Pension. Dadurch geraten die Sozialwerke immer stärker in Schieflage. Insbesondere die AHV und die berufliche Vorsorge, aber auch die Ergänzungsleistungen werden davon betroffen sein. Zudem sitzt die Invalidenversicherung noch immer auf einem Schuldenberg von über zehn Milliarden Franken. Hinzu kommen neue gesellschaftspolitisch motivierte Anliegen wie ein Care- und Vaterschaftsurlaub.

In der Summe drohen bereits kurzfristig höhere Lohnbeiträge von bis zu 2 Prozentpunkten. Gerade den Arbeitnehmern wird dadurch Ende Monat spürbar weniger zum Leben bleiben. Während sie den Gürtel enger schnallen müssen, verteuert sich der Arbeits- und Werkplatz Schweiz und büsst international an Wettbewerbsfähigkeit ein. Längerfristig drohen, wenn es nach dem Bundesrat geht, allein zur Finanzierung der AHV massive Erhöhungen der Mehrwertsteuer von insgesamt bis zu 3 Prozentpunkten. Das wiederum trifft nicht nur die KMU-Wirtschaft und ihre Angestellten hart, sondern auch die Rentnerinnen und Rentner. Nicht erfasst in den Berechnungen des «Tagi» sind derweil die enormen Kostenentwicklungen im Gesundheitswesen und der Langzeitpflege, die besonders die Haushalte der Kantone unter Druck setzen. Zur Kasse gebeten wird dadurch abermals die Bevölkerung, da Krankenkassenprämien und Steuern steigen werden.

 

Es braucht eine Gesamtschau, in der die Herausforderungen ungeschönt auf den Tisch gelegt und grundsätzlich diskutiert werden.

Es fällt auf, dass sich Bundesrat und Parlament darauf beschränken, die vielfältigen Herausforderungen grösstenteils mit häppchenweisen Zusatzfinanzierungen bewältigen zu wollen. Wie schon bei der gescheiterten Reform Altersvorsorge 2020 könnten sie damit die Rechnung ohne den Wirt machen. Die lange Liste der Leserkommentare zum Artikel im «Tages-Anzeiger» müssten für Bundesrat und Parlament ein Wink mit dem Zaunpfahl sein. Daraus lässt sich schliessen, dass es eine politische Gesamtschau braucht, in der die Herausforderungen ungeschönt auf den Tisch gelegt und grundsätzlich diskutiert werden.

Die Volksvertreterinnen und –Vertreter müssen wichtige Fragen klären. Was können und wollen wir uns in den Sozialwerken in Zukunft leisten, und welche Prioritäten sollen wir setzen? Welche Zusatzfinanzierungen sind für Arbeitnehmende, Rentnerinnen und Rentner, aber auch den Arbeits- und Werkplatz Schweiz verkraftbar, ohne ins Abseits zu geraten? Und welche Strukturreformen sind unumgänglich und rasch an die Hand zu nehmen, damit sie möglichst sozialverträglich umgesetzt werden können?

Alle Herausforderungen einer alternden Bevölkerung ausschliesslich mit Zusatzfinanzierungen bewältigen zu wollen, ist aus Sicht der Arbeitgeber ein gefährlicher Trugschluss. Um strukturelle Massnahmen wie etwa ein massvoll und schrittweise steigendes Rentenalter wird auch die Schweiz nicht herumkommen. Während zahlreiche europäische Länder die Zeichen der Zeit erkannt haben, verliert die Schweiz den Anschluss an die Spitze. So ist ihr Altersvorsorgesystem in diesem Jahr bereits aus den «Top Ten» des vielbeachteten Mercer Index gefallen. Vielleicht haben das stete Wirtschaftswachstum und das hohe Wohlstandsniveau zu einer gesättigten Gesellschaft geführt, die nachlässig und träge geworden ist. Die Aussicht auf empfindliche Einbussen im Portemonnaie wegen höherer Lohnabzüge und Mehrwertsteuer könnte der erhoffte Weckruf sein, strukturellen Herausforderungen endlich mit strukturellen Lösungen zu begegnen.