Das Schweizer Stimmvolk hat klare Verhältnisse geschaffen. Es hat der SVP-Initiative «Für eine massvolle Zuwanderung» eine deutliche Abfuhr erteilt. Vom Tisch ist damit auch die Kündigung der bilateralen Verträge, zu der eine Annahme der Initiative zwangsläufig geführt hätte. In diese Sackgasse wollte sich der Souverän nicht manövrieren. Stattdessen hat er einmal mehr eine Europapolitik bestätigt, die auf ein interessengeleitetes, ausgewogenes Miteinander mit der Europäischen Union statt auf fahrlässige Einigelung setzt. Das Aufatmen über diesen Volksentscheid ist bei den Arbeitgebern gross. Mit der Ablehnung der Begrenzungsinitiative wird ein Bruch mit der EU verhindert, und die Personenfreizügigkeit bleibt aufrechterhalten.
Offenkundig überzeugt hat die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Leistungsausweis der Bilateralen: Die Verträge erleichtern die Völkerverständigung, schränken aber die Zuwanderung auf das benötigte Mass ein und schützen Schweizer Löhne, fördern den Handel zwischen den Ländern und schaffen letztlich Wohlstand für alle.
Nicht verfangen haben dagegen die Ängste, welche die Initianten mit der – nach ihrer Lesart – unkontrollierten Zuwanderung geschürt haben. Zum Glück: Will die Schweiz mit ihrer alternden Bevölkerung ihren Wohlstand und ihr hochwertiges Gesundheitswesen erhalten, kommt sie ohne ergänzende Arbeitskräfte aus dem Ausland zum Ausgleich des heimischen Arbeitskräftemangels nicht aus. Die Schweiz als vielfältigstes Land Europas ist dafür gut gerüstet. Seine Bewohner verstehen es ausgesprochen gut, Zugewanderte an ihrem Wohnort willkommen zu heissen und sie in die Arbeitswelt zu integrieren.
Mit dem Abstimmungsresultat hat die Zeit des Zauderns ein Ende. Der Bundesrat hat einen unmissverständlichen Volksauftrag erhalten. Er muss mit dem bestätigten Mandat das Heft beim Institutionellen Rahmenabkommen wieder in die Hand nehmen und nach seinem Fahrplan das Ergebnis der innenpolitischen Konsultation zu den drei strittigen Bereichen Unionsbürgerrichtlinie, staatliche Beihilfen und Flankierende Massnahmen (FlaM) nach Brüssel tragen. Dabei sind die Interessen in der Europapolitik so abzuwägen, dass der bilaterale Weg nicht nur gesichert, sondern erneuert und ausgebaut werden kann.
Bei den FlaM ist sich der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) mit den Sozialpartnern einig, das bisherige Schutzniveau der Arbeitnehmer beizubehalten. Dies ist innerhalb des verhandelten Rahmenabkommens nach Ansicht des SAV möglich, wenn das bestehende duale Vollzugssystem der Schweiz, die Kautionspflicht sowie weitere Punkte völkerrechtlich abgesichert werden. Notwendig ist ausserdem eine Zusicherung der EU, dass das gegenwärtige Schutzniveau in Zukunft nicht unterboten werden darf («Grandfathering»).