Lohngleichheit – Fakten statt Meinungsmache

4. August 2023 Fokus

Als Sommerserie publiziert der Schweizerische Arbeitgeberverband einzelne Beiträge des kürzlich publizierten Jahresberichts in leicht gekürzter oder aktualisierter Form.

Der Lohn ist für viele Menschen nicht nur ein wichtiger Aspekt des Arbeitslebens, er ist gleichzeitig ein Thema, das nicht selten zu kontroversen Diskussionen führt. Dass dies im vergangenen Jahr nicht anders war, zeigten die medial breit geführten Debatten rund um die Lohntransparenz oder den Lohnherbst. Ein weiterer Aspekt, der erneut für viel Gesprächsstoff sorgte, ist die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann.

Der Grundsatz zur Lohngleichheit ist in der Bundesverfassung wie folgt verankert: «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit». Vonseiten des Bundes wird das Gleichstellungsdossier durch das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) verantwortet. Dieses liefert auf die Frage, inwieweit die gleichwertige Entlöhnung hierzulande eingehalten wird, auf seiner Website sogleich eine Antwort: Die Lohngleichheit sei bis heute nicht verwirklicht. Dies, weil nach wie vor rund die Hälfte des Lohnunterschieds von 18 Prozent nicht erklärbar und damit potenzielle Lohndiskriminierung sei. Im Sinne der Gleichstellung wäre dieses Ergebnis fatal – wäre, weil es nur eine potenzielle Lohndiskriminierung ist. Diese liesse sich zwar mit einer differenzierten Analyse weiter erklären – liesse, weil zusätzliche, übliche und wesentliche Kriterien wie die effektive Berufserfahrung nicht zur Erklärung zugelassen werden. Im Bewusstsein, dass der Beweis für die Lohndiskriminierung daher fehlt, spricht man tendenziös von «potenzieller» Diskriminierung.

Die Tücken des statistischen Ansatzes
Das Gleichstellungsbüro bezieht sich bei seinen Aussagen zur Lohngleichheit auf eine statistische Auswertung auf der Grundlage der schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Jahres 2020. Dabei werden alle Frauenlöhne zusammengenommen und der Durchschnitt berechnet, das Gleiche wird für alle Männerlöhne in der Schweiz vorgenommen. Daraus resultiert für das Jahr 2020 die vorerwähnte Lohndifferenz von 18 Prozent. Die Zahlen spiegeln somit nicht die reale Situation in einem konkreten Betrieb oder bei einer einzelnen Person. Zu beachten ist zudem, dass Lohnunterschiede nicht gleichgesetzt werden können mit Lohndiskriminierung.

Für eine vertiefte Beurteilung der Lohnunterschiede gilt es somit, alle lohnbestimmenden Faktoren zu berücksichtigen. So haben unter anderem das Ausbildungsniveau oder die Branche einen massiven Einfluss auf die Bestimmung eines Lohnes. Diese Merkmale haben in der Analyse des Bundesamtes für Statistik erfreulicherweise auch Eingang gefunden. Um Aussagen zur Lohndiskriminierung tätigen zu können, reichen diese Kriterien jedoch bei Weitem nicht aus. Das Gleichstellungsbüro des Bundes argumentiert, eine vertiefte Prüfung wäre für die Unternehmen zu aufwendig. Das mag im Rahmen der statistischen Erhebung durchaus sein. Wenn dann aber auf die vertiefte Prüfung verzichtet und trotzdem von «potenzieller» Diskriminierung gesprochen wird, ist das schlichtweg tendenziös. Vielmehr müsste man dazu stehen, dass einer statistischen Analyse Grenzen gesetzt sind und sie daher nicht geeignet ist, konkrete Aussagen zur Lohndiskriminierung zu machen. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) sieht sich dabei in seiner Kritik bestätigt, dass ein rein statistischer Ansatz zum Nachweisen der Lohndiskriminierung nicht geeignet ist.

Ein Blick in die Betriebe lohnt sich
Seit der Revision des Gleichstellungsgesetzes sind Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden dazu verpflichtet, alle vier Jahre eine betriebliche Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die betroffenen Arbeitgeber hatten bis Mitte 2021 Zeit, eine erstmalige Analyse durchzuführen. Die Unternehmen waren verpflichtet, die Mitarbeitenden und die Aktionäre bis Ende Juni 2023 über das Resultat zu informieren.

Aus Sicht des SAV stellen diese betrieblichen Lohngleichheitsanalysen einen deutlich besseren Gradmesser für die Lohngleichheit dar. Mit der betrieblichen Analyse werden keine statistischen Werte berechnet, sondern konkrete Löhne von bestimmbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf die Lohngleichheit überprüft. Es sind diese Prüfungen, welche ein reales Bild zur Lohngleichheit vermitteln und damit entscheidend zu einer fundierten gesellschaftlichen Debatte beitragen. Sowohl veröffentlichte Ergebnisse Dritter als auch eine vom SAV in Auftrag gegebene Erhebung beweisen, dass Firmen mit einer diskriminierenden Lohnstruktur eine höchst seltene Ausnahme darstellen. So legte die Erhebung von 615 Unternehmensdaten offen, dass 99,3 Prozent der ausgewerteten Unternehmen das Gleichstellungsgesetz einhalten.

Nährboden für politische Forderungen
«Potenzielle Lohndiskriminierungen» eignen sich optimal, um das Terrain für zusätzliche politische und gewerkschaftliche Forderungen zu ebnen. Gleichzeitig bekräftigen sie das in gewissen Kreisen vorherrschende Bild, dass Frauen bei den Löhnen systematisch diskriminiert werden. Dass dieses Feld auch im vergangenen Jahr fleissig beackert wurde, zeigte sich nicht zuletzt an der Vielzahl der im Parlament eingebrachten Forderungen nach mehr staatlicher Lohnregulierung, Lohntransparenz oder einer Verschärfung des Gleichstellungsgesetzes.

Die Meinung der Arbeitgeber gegenüber politischer Meinungsmache bei der Lohngleichheit ist seit jeher klar: Auch sie wollen keine Lohndiskriminierung. Lohndiskriminierung und Lohnunterschiede sind aber nicht das Gleiche. Will man Lohnunterschiede vermeiden, gilt es bei den Ursachen anzusetzen. Dazu gehört insbesondere, dass Frauen im Vergleich zu den Männern deutlich häufiger Erwerbsunterbrüche aufweisen. Wem die Chancengleichheit in der Arbeitswelt wirklich ein Anliegen ist, der setzt sich für Rahmenbedingungen ein, die es Frauen ermöglichen, auf gleiche Weise wie die Männer am Erwerbsleben teilzunehmen. Hierzu gehören die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Beseitigung steuerlicher Fehlanreize. Blosser Polemik und Stimmungsmache hingegen hängt der fahle Beigeschmack an, dass es den Protagonisten weniger um die Sache als vielmehr um das Bewirtschaften eigener Agenden geht.