Keine Wirkung der Kita-Subventionen? Von wegen!

24. Februar 2023 Meinungen
Von Simon Wey

Mit einer wenig ausgewogenen Analyse und einem unzulässig stark zugespitzten Titel suggerierte die NZZ am Sonntag zuletzt, dass es keinen positiven Effekt von Kita-Subventionen auf die Erwerbstätigkeit von Müttern geben würde. Die Komplexität und die Fülle an Studien zu diesem Thema blieben dabei weitestgehend auf der Strecke. Ebenso wird unterlassen zu erwähnen, dass die unterschiedlichen Länderstudien mehrheitlich einen positiven Effekt nachweisen. Die Ausgangslage der Schweiz in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lässt sich am treffendsten mit dem Unicef-Report aus dem Jahr 2021 beschreiben. Darin bildet die Schweiz mit Blick auf bezahlbare und qualitativ gute Kinderbetreuung zusammen mit Ländern wie der Slowakei, den USA, Zypern und Australien das Schlusslicht aller OECD- und EU-Staaten. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass 8 von 10 Müttern Teilzeit arbeiten – wobei drei davon gar in einem Pensum von unter 50 Prozent. Kommt hinzu, dass die Frauen hierzulande mindestens so gut ausgebildet sind wie ihre männlichen Konterparts. Die Beantwortung der Frage, wie sinnvoll es volkswirtschaftlich ist – bei einem so akuten Arbeitskräftemangel wie kaum je zuvor – diese wertvollen Arbeitnehmerinnen nach der Geburt des ersten Kindes mit unvorteilhaften Rahmenbedingungen aus dem Arbeitsmarkt zu drängen, erübrigt sich.

Das Parlament wird am 1. März 2023 über eine Vorlage beraten, die unter anderem die Kosten von Eltern für familienexterne Kinderbetreuung mit einem Bundesbeitrag senken will. Eine entscheidende Frage dabei ist, ob sich höhere Subventionen für Drittbetreuungsangebote positiv auf die Erwerbstätigkeit von Müttern auswirken. Eine nicht abschliessende Recherche zur wissenschaftlichen Literatur lässt rasch erahnen, dass dieser Forschungsfrage in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit zu Teil wurde. Dabei ist die von der NZZ am Sonntag zitierte Studie von Professor Josef Zweimüller und seinen Mitautoren nur eine unter vielen, jedoch eine der wenigen, die nur einen geringen positiven Effekt findet. Sie ist bisher auch noch in keiner Fachzeitschrift publiziert, im Gegensatz etwa zur Studie von Christina Felfe, Michael Lehner und Petra Thiemann, die für die Schweiz einen positiven Effekt nachweist. So arbeiten Mütter als Folge der Bereitstellung von Betreuungsangeboten im Anschluss an die tägliche Schulzeit signifikant öfter in einem Vollzeit- statt in einem Teilzeitpensum. Auch Claude Jeanrenaud von der Universität Neuenburg hat zusammen mit Julia Macuglia in einer Studie im Auftrag des Kantons und der Stadt Neuenburg nachgewiesen, dass eine Erhöhung des Angebots an familienexterner Kinderbetreuung um ein Prozent mit einem Anstieg der Erwerbstätigenquote von Müttern um 0,8 Prozent einhergeht. Angesicht dieser Studien stellt sich berechtigterweise die Frage, weshalb die Schlussfolgerungen der NZZ am Sonntag einzig auf der Arbeit von Professor Josef Zweimüller und seinen Mitautoren basieren.

Auch viele Untersuchungen in mit der Schweiz vergleichbaren Ländern zeigen einen signifikant positiven Effekt auf. So weist etwa eine aktuelle Studie von Audrey Bousselin für Luxemburg einen klar positiven Effekt von der Höhe von Subventionen für Kinderbetreuung auf die Erwerbstätigkeit von Müttern nach – dies ganz unabhängig vom Alter der Kinder. Ebenfalls konnte Mike Brewer zusammen mit seinem Forschungsteam in einer Studie aus dem Jahr 2022 eine signifikante Erhöhung der Erwerbstätigkeit als Folge einer Ausweitung von kostenloser Teilzeit- zu Vollzeit-Kinderbetreuung in England nachweisen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen veröffentlichte inzwischen eine Zusammenstellung von zwanzig Studien aus dem In- und Ausland. Diese wurde im Auftrag der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats erstellt. Von den 20 aufgeführten Studien wiesen 14 einen positiven und 6 entweder einen negativen oder keinen Zusammenhang nach. Von den oben genannten 14 Studien wurden mehrere in renommierten Fachzeitschriften der Wirtschaftswissenschaften publiziert. Die zahlreichen Analysen zu diesem Thema zeigen vor allem, dass die daraus resultierenden Ergebnisse stark von der zugrundeliegenden Übungsanlage der Studien abhängen. So etwa von der Höhe der Subventionen, von den im entsprechenden Land vorherrschenden Geschlechternormen oder auch von den jeweiligen Steueranreizen für Familien. Es ist die Dynamik unterschiedlicher Massnahmen in Kombination, die das Thema positiv beeinflussen.

Der Artikel in der NZZ am Sonntag erweckte zudem den Eindruck, als müssten statt höherer Subventionen für die familienexterne Kinderbetreuung einfach die Geschlechternormen verändert werden. Dem ist jedoch genau nicht so, denn schon heute würden gemäss Bundesamt für Statistik 15 Prozent der teilzeitarbeitenden Mütter mehr arbeiten, wenn genügend verfügbare und finanziell attraktive Drittbetreuungsangebote bereitstünden. Bei den Männern sind es im Gegenzug gerade mal 2 Prozent. Selbst wenn also die Geschlechternormen verändert würden, wofür sich auch der Schweizerische Arbeitgeberverband einsetzt, würde dadurch die Attraktivität von Drittbetreuungsangeboten nicht erhöht und eine höhere Erwerbsbeteiligung würde somit auch weiterhin ausbleiben. Denn auch bei veränderten Geschlechternormen wird durch die hohen Kosten der externen Kinderbetreuung ein Grossteil des Arbeitseinkommens wieder weggefressen. Die neuste Literatur zu diesem Thema zeigt überdies, dass die Geschlechternormen nicht fix vorgegeben sind, sondern sich mit verbesserten politischen Rahmenbedingungen – wie etwa einem verstärkten Ausbau von Drittbetreuungsangeboten – positiv beeinflussen lassen. Lídia Farré und ihre Mitautoren zeigen diesen Effekt etwa am Beispiel der Einführung eines Vaterschaftsurlaubs in Spanien.

Am 1. März 2023 wird im Nationalrat die parlamentarische Initiative 21.403 «Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung» beraten. Dabei geht es hauptsächlich darum, die Elternbeiträge bei der familienexternen Kinderbetreuung mit einem Bundesbeitrag zu senken. Eine Berichterstattung wie diejenige der NZZ am Sonntag ist für eine faktenbasierte und ausgewogene Würdigung der Vorlage wenig hilfreich. Tatsache ist, dass das Thema viel zu wichtig ist, als dass man dieses für politische Stimmungsmache missbrauchen sollte. Der Nationalrat hat es am 1. März 2023 als Erstrat in den Händen, mit einer abgespeckten Umsetzung der Vorlage einen wichtigen und längst fälligen Schritt hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu machen.

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