Das verborgene Arbeitskräftepotenzial

19. Februar 2022 Meinungen Medienbeiträge

Immer mehr Unternehmen bekunden Mühe, die für den wirtschaftlichen Aufschwung benötigten Arbeitskräfte zu finden. Eine Möglichkeit, diese Arbeitskräftelücke zu verringern, ist das Weiterarbeiten über das Pensionsalter hinaus. Im Moment ist dies aufgrund fehlender Anreize für viele Arbeitnehmer nicht sonderlich attraktiv.

Die Erholung der Wirtschaft nach dem pandemiebedingten Einbruch ist in vollem Gange. Die Wirtschaftsleistung der Schweiz befindet sich bereits wieder über dem Vorkrisenniveau. Diese gesamtwirtschaftliche Dynamik verleiht auch dem Schweizer Arbeitsmarkt Rückenwind. Der Beschäftigungsindikator der Konjunkturforschungsstelle KOF hat im Januar 2022 den Höchststand der letzten 20 Jahre erreicht. Die Arbeitslosenquote sinkt und qualifizierte Arbeitskräfte finden gut bezahlte Jobs.

Die Kehrseite dieser erfreulichen Entwicklung ist, dass immer mehr Unternehmen Mühe bekunden, die für den Aufschwung benötigten Arbeitskräfte zu finden. Wegen dieses Arbeitskräftemangels können die Unternehmen Aufträge nicht annehmen, was ihre Wachstumschancen hemmt.

In früheren Jahren wurde ein personeller Notstand mittels Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland aufgefangen. Die Migration aus den EU/Efta-Ländern nimmt jedoch seit Jahren ab. In Anbetracht einer auch in den meisten Herkunftsländern wieder florierenden Wirtschaft sinkt die Anziehungskraft des Schweizer Arbeitsmarktes. Damit muss sich der Blick der Arbeitgeber noch stärker auf die Arbeitskräfte im Inland richten.

Die Integration von älteren Arbeitnehmern bietet sich dabei als eine nachhaltige Lösung an. Denn die geburtenstarken Jahrgänge der späten 1950er und frühen 1960er Jahre werden in den nächsten Jahren das Pensionsalter erreichen und können wegen der tieferen Geburtenrate nicht im selben Umfang durch junge Arbeitskräfte ersetzt werden. Eine Möglichkeit, diese Arbeitskräftelücke zu verringern, ist das Weiterarbeiten über das Pensionsalter hinaus. Das Weiterarbeiten nach der ordentlichen Pensionierung ist im Moment wegen fehlender Anreize für viele Arbeitnehmer nicht sonderlich attraktiv. Heute arbeiten nur rund 15 Prozent der Mitarbeitenden nach dem Erreichen des ordentlichen Pensionsalters weiter.

Vor diesem Hintergrund hat der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) das Arbeitgebernetzwerk «focus50plus» initiiert. Das Netzwerk verfolgt das Ziel, zusammen mit Unternehmen, Wissenschaft und Politik breit abgestützte Lösungen für ältere Arbeitskräfte zu entwickeln. Denn eine gründliche Auseinandersetzung mit den Fragestellungen zu älteren Arbeitnehmern ist unausweichlich, um den Bedürfnissen dieser Altersklasse gerecht zu werden.

Die Kolumne von Valentin Vogt ist in der «Zürichsee-Zeitung» erschienen.