Verpasste Weichenstellungen bei der AHV

27. Januar 2023 News

An ihrer ersten Sitzung im neuen Jahr diskutierte die sozialpolitische Kommission des Ständerates gleich mehrere Vorhaben zur zukünftigen Ausgestaltung der ersten Säule. Während die Linke allen Ernstes einen Leistungsausbau in Betracht zieht, findet ein vollständig neues, aber äusserst taugliches Element Eingang in die Diskussion. Für die Arbeitgeber steht die finanzielle Stabilisierung auch nach der gewonnenen Abstimmung vom vergangenen September im Vordergrund.

Die Vorzeichen hätten unterschiedlicher nicht sein können: Mit der Initiative für eine 13. AHV-Rente der Gewerkschaften und der Renteninitiative aus den Reihen der Jungfreisinnigen diskutierte die sozialpolitische Kommission des Ständerates an ihrer Sitzung zwei Vorhaben, die zwar beide die AHV betreffen, finanziell aber exakt in gegenteilige Richtungen wirken. Die Zukunft der ersten Säule gibt also schon zu diskutieren, bevor die Verordnungsbestimmungen zur AHV-Reform vom 25. September 2022 unter Dach und Fach sind.

Über den ersten Vorschlag, den kaum finanzierbaren Leistungsausbau in Form einer 13. AHV Rente für alle, hatte der Nationalrat schon im Dezember diskutiert und ihn zur Genugtuung der Arbeitgeber grossmehrheitlich abgelehnt. Diesem Entscheid schliesst sich nun auch die Kommission des Ständerates an. Viel spannender als die dahinterliegende Idee sind allerdings die langfristigen Finanzperspektiven, die zur Beratung des Geschäfts erstellt wurden. Diese zeigen die zukünftige Last der ersten Säule in ihrem vollen Ausmass: Ohne Gegenmassnahme dürfte das kumulierte Defizit der AHV bis 2050 rund 100 Milliarden Franken betragen. Für undifferenzierte Rentenerhöhungen nach dem Giesskannenprinzip fehlt also nicht nur der politische Wille, sondern auch der finanzielle Spielraum.

Zum ersten Mal wurde hingegen die Renteninitiative der Jungfreisinnigen diskutiert. Diese sieht eine einmalige Erhöhung des Rentenalters auf 66 Jahre und ab dann eine Koppelung an die Lebenserwartung vor. Neben den bereits vielfach diskutierten Massnahmen zur Stabilisierung der AHV enthält die Initiative mit diesem Automatismus ein neues und bisher einzigartiges Element. Wie eine Studie der UBS vor kurzem aufgezeigt hat, könnte allein mit diesem Vorschlag die erste Säule auf Jahrzehnte hinaus stabilisiert werden. Man muss sich also vorstellen: Anstatt wie bisher im Reformstau stecken zu bleiben oder – wie aktuell geplant – im Fünfjahrestakt AHV-Vorlagen zu diskutieren, wäre nur ein einziger Entscheid nötig.

Entsprechend äusserte sich der Schweizerische Arbeitgeberverband im Rahmen der durchgeführten Anhörung zur Renteninitiative sehr positiv zu diesem Vorschlag. Dass dieser neben den Auswirkungen auf die Sozialversicherungen auch einen erheblichen Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels leisten kann, erklärt sich von selbst. Für die Arbeitgeber steht allerdings die finanzielle Stabilisierung der ersten Säule im Vordergrund. Entsprechend zeigen sie sich enttäuscht, dass die Kommission die Initiative nicht weiterverfolgen will. Insbesondere der gemäss Medienmitteilung knappe Beschluss, auf einen indirekten Gegenvorschlag zu verzichten, deutet darauf hin, dass die Idee eines Automatismus auch anderweitig weiterverfolgt werden könnte.