AHV Finanzen: Schwierige Prognosen, aber kaum Spielraum

25. Januar 2023 Meinungen

Im Rahmen der Beratung zur Initiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Rente hat die sozialpolitische Kommission des Nationalrats eine Fortschreibung der AHV Finanzen über den bisherigen Zeithorizont hinaus verlangt. Auch wenn die zugrundeliegenden Schätzungen mit viel Unsicherheit behaftet sind, wird unmittelbar klar: Die Annahme der AHV Reform im September 2022 hat die erste Säule vorübergehend stabilisiert, gelöst sind ihre Probleme aber keineswegs.

Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker können ein Lied davon singen: Baut oder renoviert man ein Schulhaus, fällt man eine Investitionsentscheidung, die über Jahrzehnte hinaus die Finanzen der Gemeinde belastet, während die Anzahl Schülerinnen und Schüler im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Sternen steht – Kinder, die in fünf oder zehn Jahren den Kindergarten besuchen, müssen nämlich erst noch geboren werden. Im Vergleich dazu muten die Prognosen für Bezügerinnen und Bezüger einer AHV Rente geradezu trivial an: Wer 2050 pensioniert wird, ist heute schon 38 Jahre alt. Sowohl Karriere als auch Zivilstand und Anzahl Kinder haben, selbst wenn sie sich natürlich noch verändern können und werden, zumindest erste Züge angenommen.

Zugegeben, ganz so einfach ist die Realität natürlich nicht: Auch für die Prognose der AHV benötigt man eine Vielzahl an Annahmen. Die Entwicklung der Lebenserwartung spielt bei den demografischen Faktoren genauso eine Rolle wie die Frage nach der zukünftigen Migration. Ebenfalls relevant sind ökonomische Parameter: Wirtschaftswachstum, erwartete Anlagerendite, strukturelle Veränderung des Arbeitsmarktes und so weiter. Und doch wurde die Antwort des Bundesrats, wenn er sich selbst im Rahmen des Abstimmungskampfes zur AHV-Vorlage weigerte, über das Ende des Jahrzehnts hinaus Finanzprognosen zu erstellen, immer mit leichtem Kopfschütteln quittiert. «Zu unsicher», lautete seine Devise.

Vor diesem Hintergrund hat die sozialpolitische Kommission des Nationalrats einen regelrechten politischen Trick angewandt: Man könne die Auswirkungen eines weiteren Rentenausbaus, wie ihn die Gewerkschaften mit ihrer unsäglichen Initiative für eine 13. Rente fordern, nur in Kenntnis der langfristigen Entwicklung der AHV Finanzen beurteilen, stellte sie fest. Und noch viel wichtiger: Die Kommission hat nicht nur ihren Antrag, sondern auch den daraus resultierenden Bericht veröffentlicht. Auch wenn die Verwaltung im Bericht mehr Platz braucht, um auf die methodischen Schwierigkeiten eines derartigen Unterfangens hinzuweisen als für die Kommentierung der daraus resultierenden Ergebnisse, wird die zentrale Botschaft auf einen Blick klar: Selbst mit der Annahme der AHV Reform im September 2022 sind die finanziellen Probleme der AHV keinesfalls gelöst.

So zeigt sich, dass das Umlageergebnis, welches die laufenden Einnahmen der ersten Säule ihren jährlichen Ausgaben gegenüberstellt, schon 2029 wieder negativ sein wird. 2040 ist mit einem jährlichen Loch in der Höhe von rund 7 Milliarden und 2050 bereits mit 10,5 Milliarden Defizit pro Jahr zu rechnen. Das heisst, die AHV gibt massiv mehr Geld aus, als sie einnimmt – trotz Reform. Kumuliert man die Ergebnisse, dürfte sich zwischen 2030 und 2050 ein Defizit in der Höhe von gut 100 Milliarden anhäufen. Man mag diese Schätzungen über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten als zu unsicher oder vage kritisieren, getreu dem Physiker Niels Bohr, der einmal lapidar festgehalten haben soll, Prognosen seien schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft beträfen. Selbst wenn die Vorhersagen 10, 20 oder gar 30 Prozent daneben liegen, wird jedoch klar: Für einen Leistungsausbau bei der AHV fehlt schlicht der finanzielle Spielraum.