Licht und Schatten bei der IV-Reform

16. November 2018 News

Die vorberatende Kommission des Nationalrats bestätigt die Stossrichtung der IV-Revision, welche die Eingliederung in den Arbeitsmarkt verstärken soll. Die Massnahmen, die auf dem Tisch liegen, gehen aber zu wenig weit. Zudem braucht es weitere Anstrengungen, um den Schuldenberg der IV abzutragen. Die Einführung von Zwangsmassnahmen zur beruflichen Eingliederung von Behinderten lehnt der SAV ab.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) hat die Stossrichtung der IV-Revision bestätigt, die eine bessere Eingliederung von IV-Rentnern in den Arbeitsmarkt anstrebt. Insbesondere unter 30-Jährige mit psychischer Beeinträchtigung sollen gezielter in den Arbeitsmarkt integriert werden. Auch der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) unterstützt den Ansatz, das grosse Eingliederungspotenzial besser zu nutzen. Eine Studie von Compasso zeigt jedoch, dass die vorgeschlagenen Massnahmen zur Eingliederung zu wenig weit gehen und die Fehlanreize nur ungenügend abbauen. Die Arbeitgeber fordern deshalb ein Modell, das statt auf eine sofortige Verrentung von jungen Erwachsenen auf eine Taggeldlösung setzt, die von schrittweisen Eingliederungsmassnahmen begleitet wird. Dagegen sollten nur jene Junge umgehend eine Rente erhalten, die selbst bei besserer Unterstützung keine Chance haben, im Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.

Die Reformvorlage sieht keine strukturellen Massnahmen vor, um die IV nachhaltig zu sanieren. Nach wie vor schreibt die IV ein strukturelles Defizit von 373 Millionen Franken pro Jahr. Es braucht daher zusätzliche Anstrengungen, um den IV-Schuldenberg von noch immer über 10 Milliarden Franken abzutragen. Positiv werten die Arbeitgeber hingegen, dass sich die SGK-N für eine Anpassung der Zulagen für IV-Rentner mit Kindern von 40 auf 30 Prozent einer Rente ausgesprochen hat. Dadurch sollen Fehlanreize korrigiert werden, die der beruflichen Eingliederung von kinderreichen Versicherten zuwiderlaufen. Die Arbeitgeber haben schon vor Längerem mit einer Studie auf diesen Handlungsbedarf hingewiesen. Sie bedauern jedoch, dass die Kommissionsmehrheit die ebenfalls sinnvolle Anpassung der Reisekosten ablehnt, welche IV-Bezügern vergütet werden.

Ebenfalls kritisch beurteilen die Arbeitgeber den von der Kommission befürworteten Wechsel zu einem stufenlosen Rentensystem, in dem bereits ab einem IV-Grad v on 70 Prozent eine volle Rente gesprochen wird. Das System müsste mindestens so angepasst werden, dass eine volle Rente erst ab einem IV-Grad von über 80 Prozent ausgerichtet wird. Nur dann wirken die finanziellen Erwerbsanreize in einem stufenlosen Rentensystem optimal, wie eine Studie im Auftrag des BSV zeigt. Ansonsten rechtfertigt sich der hohe Umstellungsaufwand nicht, und es drohen sogar Mehrkosten für die IV.

Auf grosses Unverständnis stösst der Mehrheitsentscheid der SGK-N, Arbeitgeber verpflichten zu können, Behinderte zwangsweise in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um die IV finanziell zu entlasten. Damit wird der nachweisliche Kooperationserfolg der Akteure der beruflichen Eingliederung in den letzten Jahren ignoriert. Zudem gefährdet eine solche Regelung die eingespielte Zusammenarbeit zwischen IV, Suva, Privatversicherern, Ärzteschaft, weiteren Akteuren wie Behinderten- und Eingliederungsorganisationen und den Arbeitgebern, deren Stärke in den bedarfsgerechten und flexiblen Strukturen liegt. Dank ihres Engagements konnten gemäss IVSK alleine seit 2012 rund 114’000 Personen ihre Arbeitsstelle behalten oder eine neue Stelle finden – mit steigender Tendenz. Quoten oder quotenähnliche Verpflichtungen können sich nur auf die eigentliche Wiedereingliederung aus Rente beziehen, was aber an der Realität vorbeizielen würde. Das intensive freiwillige Engagement der Arbeitgeber in Bezug auf die Früherfassung und den Arbeitsmarkterhalt zeigt, dass quotenähnliche Verpflichtungen unnötig sind und darüber hinaus die erfolgreichen Kooperationen der vergangenen Jahre gefährden würden. Es gibt also keine objektiven Gründe, eine solche Regulierung zu schaffen, die auch für Behinderte schädlich ist.