BVG Reform auf Schlingerkurs

29. April 2022 News

Mit ihren jüngsten Beschlüssen zur Reform der beruflichen Vorsorge weicht die sozialpolitische Kommission des Ständerats an mehreren Stellen sowohl von der Botschaft des Bundesrats als auch von der Vorlage der grossen Kammer ab. Während einzelne Anpassungen aus Sicht der Arbeitgeber zu begrüssen sind, lassen sich andere schwerer nachvollziehen.

Es ist Zeit für den Pneuwechsel – beim Auto und offenbar auch bei der BVG Reform. Die aktuellen Entwicklungen bei der Revision der zweiten Säule erinnern zumindest eher an einen Schleuderkurs als an einen geraden Pfad. So hatte der Bundesrat im Herbst 2020 den Vorschlag der Sozialpartner übernommen, den die Arbeitgeber zusammen mit den Gewerkschaften erarbeitet hatten. Rund ein Jahr später nahm der Nationalrat an verschiedenen Stellen Korrekturen vor. Nach eingehender Beratung hat nun die sozialpolitische Kommission der kleinen Kammer ihre Vorschläge für den Ständerat vorgestellt und weicht sowohl im Leistungsmodell als auch bei der Übergangsgeneration von der grossen Kammer ab.

Im Modell für eine neue BVG-Minimalversicherung springen zwei Punkte ins Auge: Zum einen soll der Sparbeginn wie schon in der Bundesratsvariante bei 25 Jahren belassen werden, zum anderen schlägt die Kommission einen relativen Koordinationsabzug von 15 Prozent des AHV Lohns vor. Aus Sicht der Arbeitgeber ist die erstgenannte Anpassung der nationalrätlichen Vorlage zu begrüssen. Eine Reduktion des Sparbeginns hätte die berufliche Vorsorge insbesondere für Betriebe mit einer jüngeren Altersstruktur stark verteuert. Der zweite Schritt ist hingegen kritisch: Mit der Anpassung des Koordinationsabzugs wird gerade für tiefere Löhne oder Teilzeitangestellte ein grösserer Betrag des Lohns in der zweiten Säule versichert. Das ist zwar löblich, lässt aber die Versicherung für die betroffenen Arbeitnehmer und vor allem für Gewerbetreibende um rund eine halbe Milliarde jährlich teurer werden. Eine Halbierung des heutigen Koordinationsabzugs, wie von den Sozialpartnern und auch dem Nationalrat vorgeschlagen, hätte eine ähnliche Wirkung bei deutlich reduzierten Kosten erzielt.

Bei den Ausgleichsmassnahmen für die betroffenen Übergangsgenerationen nehmen die Arbeitgeber zur Kenntnis, dass sowohl der Nationalrat als auch die Kommission des Ständerates eine Begrenzung des Bezügerkreises und eine starre Befristung vornehmen. Die konkrete, technische Umsetzung, wie sie nun die Kommission vorschlägt, ist allerdings nicht nachvollziehbar. So soll der Bezügerkreis über den Jahreslohn vor dem Rentenbezug gesteuert werden, was Tür und Tor für Missbrauch öffnet und in keiner Weise sicherstellt, dass die Kompensation zielgerichtet erfolgt, wie es die Kommission gewünscht hatte. Zudem sollen die zur Finanzierung der Massnahmen notwendigen Beiträge von den Vorsorgeeinrichtungen in Prozent der Sparkapitalien an den Sicherheitsfonds geleistet werden. Im Kern wird damit das Aufbringen der notwendigen Mittel an die einzelnen Pensionskassen delegiert, was gerade für diejenigen, die nahe an den gesetzlichen Mindestparametern operieren, den ohnehin engen Spielraum weiter verkleinert.

In der Gesamtabstimmung wurde die Reform in der Kommission dennoch verabschiedet und ist damit bereit für die Sommersession. Bis dahin dürfte die Gefahr von Eisglätte verschwunden sein – es bleibt zu hoffen, dass kein Aquaplaning entsteht.