Wie die NZZ heute enthüllt, führte der Bundesrat das Parlament an der Nase herum, was die Kosten der so genannten «Reform» Altersvorsorge 2020 anbelangt. Aus den ursprünglich rund 6 Milliarden Franken allein für die Kompensation der Übergangsgeneration für die Übergangsperiode von 20 Jahren drohen nun bereits 12 Milliarden zu werden. Das riecht nach einem veritablen Politskandal.
Wir erinnern uns: Ursprünglich ist der Bundesrat angetreten, um mit einer echten Reform der Altersvorsorge die Renten auch künftig auf heutigem Niveau zu sichern und die Finanzierung der ersten und zweiten Säule der Altersvorsorge trotz der demografischen Alterung zu garantieren. Im August 2015 zimmerte eine Koalition aus SP und CVP im Hinterzimmer des Ständerats eine Vorlage linken Zuschnitts, die sie bis heute als Kompromiss verkauft – wie Ständerat Hans Stöckli in der Sendung «Arena» vom 23. Juni 2017 freimütig zugab. Die berechtigten Ziele des Bundesrats wurden damit über Bord geworfen und ein Rentenausbau in der AHV mit der Giesskanne beschlossen: Alle Neurentner sollen künftig 70 Franken mehr AHV pro Monat erhalten und die Neurentnerehepaare mit Maximalrente eine um 5 Prozent höhere Ehepaarrente.
Geschickt verbanden Exponenten beider Parteien die Interessen ihrer beiden damals hängigen und mittlerweile verworfenen Volksinitiativen. Die CVP wollte die Heiratsstrafe abschaffen und dabei die Ehepaarrenten erhöhen, während die SP mit «AHVplus» einen generellen AHV-Ausbau anpeilte. Der Rest ist Geschichte: Umgehend wandelte sich der federführende Bundesrat vom gewissenhaften Staatsdiener zum Parteisoldaten, warf die hehren Reformziele über den Haufen und vertrat künftig durch alle Böden den so genannten Kompromiss, der in Tat und Wahrheit nie einer war. Die Mitte-Links-Mehrheit im Ständerat verweigerte fortan die Verhandlungsbereitschaft – im Wissen um die Mehrheitsverhältnisse im Parlament. So marschierte sie kompromisslos durch alle politischen Etappen und setzte sich in einer denkwürdigen Einigungskonferenz mit 14 zu 12 Stimmen durch.
Alle Versuche, die Reform wieder auf die ursprüngliche zielführende Spur der nachhaltigen Sicherung der Renten zurückzuführen, wurden abgeblockt. Wer es wagte, wohl begründet die bundesrätliche Zahlenakrobatik zu den schwindelerregenden Kosten des AHV-Ausbaus und des ständerätlichen Kompensationsmodells zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes in Frage zu stellen, wurde schonungslos als unseriös diffamiert. Doch nun bestätigen sich die Befürchtungen. Wie die NZZ schreibt, führt nicht nur der Giesskannenausbau von 70 Franken für Neurentner – egal ob arm oder reich – die AHV ins finanzielle Desaster, auch die Kompensation zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes wird zum Fass ohne Boden.
Sträflicherweise ging nämlich vergessen, im Rahmen der Bundesratsvorlage zur Revision der Ergänzungsleistungen zu erwähnen, dass diese durch das Verbot des Kapitalbezugs der obligatorischen Leistungen der beruflichen Vorsorge zu einer massiven Verteuerung der Kompensation der Übergangsgeneration führt – um 200 Millionen Franken pro Jahr, wie nun das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf Anfrage der NZZ bekannt geben muss. Doch dem nicht genug: Die Linke und die Gewerkschaften kämpften so verbissen für ihre eigenen Partikularinteressen, dass sie ihre eigentliche Klientel vollkommen vernachlässigten, nota bene die schwächsten künftigen Rentner – die ausschliesslich obligatorisch Versicherten im BVG. Das erklärt die panische Reaktion der Linken, als sie zu spät bemerkte, dass von der Zusatzkompensation ab Alter 45 nur profitiert, wer auch bis zum Rentenalter 65 arbeitet. Doch ihre vehementen Interventionen beim BSV fruchteten vorerst nicht: Wie die zuständige Vizedirektorin Colette Nova gegenüber der NZZ kürzlich erneut erklärte, wurde dies im Gesetz so vom Parlament verabschiedet.
Kaum überraschend fand jedoch der Bundesrat ein Schlupfloch: So biete der Gesetzestext einen gewissen Interpretationsspielraum, liess er im Rahmen der vor 10 Tagen in die Vernehmlassung verabschiedeten Ausführungsverordnungen verlauten. Entsprechend unterbreitete er gleich zwei Varianten. Die eine davon soll gesetzesergänzend das im Nachhinein festgestellte gewerkschaftliche Problem lösen: Auch wer zur Übergangsgeneration gehört und sich den vorzeitigen Ruhestand leistet, soll zusätzlich entschädigt werden. Kostenpunkt: weitere 100 Millionen Franken pro Jahr und ein Total von 2 Milliarden Franken für die Übergangsperiode von 20 Jahren. So steht es in den Erläuterungen zu den Verordnungsentwürfen geschrieben.
Man darf gespannt sein, welche bösen Überraschungen uns noch erwarten.
Aber stimmt dies überhaupt? Aufgrund der bekannten Kennzahlen zur Vorpensionierung dürfte diese Ziffer wohl viel zu tief liegen. Gegenüber der NZZ spricht das BSV denn nun bereits von 150 Millionen Franken pro Jahr. Damit werden aus 6 Milliarden Franken für das Kompensationsmodell innert Kürze deren 12 Milliarden. Ob das Parlament dieser Scheinreform in Kenntnis dieser Fakten immer noch auf die Stimme genau zugestimmt hätte? Einige Parlamentarier dürften sich wohl verschaukelt fühlen. Man darf gespannt sein, welche bösen Überraschungen uns noch erwarten. Das Volk hat nun am 24. September 2017 die Chance, diesem Trauerspiel an der Urne ein Ende zu setzen.