Stimmungsmache des SGB mit tendenziöser Datenanalyse

22. Juni 2020 News

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat mit einer Studie suggeriert, dass Arbeitskräfte im Alter zwischen 55 und 64 Jahren die Auswirkungen der Corona-Krise am stärksten spüren. Als Beleg dafür wurden gezielt Branchen ausgewählt, die gemäss SGB überdurchschnittlich viele ältere Arbeitskräfte entlassen. Eine Überprüfung der Fakten zeigt, dass die Auswertung politisch gefärbt ist.

Nicht nur in Krisenzeiten ist jeder Arbeitslose einer zu viel. Wer das Schicksal der Betroffenen verbessern will, muss darum eine ernsthafte und gründliche Analyse betreiben, ohne Arbeitslose unterschiedlicher Altersklassen gegeneinander auszuspielen. Eine Studie des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB), die über die Medien vertrieben worden ist, wird diesen Ansprüchen nicht gerecht. Die verzerrt dargestellten Fakten werden deshalb nachfolgend wieder in den richtigen Zusammenhang gestellt.

Die Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) belegen, dass Personen ab 50 Jahren weniger oft arbeitslos sind als Jüngere (vgl. Abbildung 1). So lag die Arbeitslosenquote der ältesten Gruppe im Mai 2020 mit 3 Prozent tiefer als für Personen jüngerer Jahrgänge. Zudem stieg sie im Verlauf der Corona-Krise zwischen März und Mai prozentual am wenigsten stark an.

Ebenso war das Wachstum der Zahl arbeitsloser älterer Personen zwischen 55 und 64 Jahren für die beiden Monate April und Mai 2020 im Vergleich zu denselben Vorjahresmonaten am tiefsten (vgl. Abbildung 2). Es zeigt sich zudem, dass die Zahl der Arbeitslosen, je älter die Arbeitslosen sind, umso weniger zunimmt.

Abbildung 1: Verlauf der Arbeitslosenquoten von Personen unterschiedlicher Altersklassen im 2020
Abbildung 2: Prozentuales Wachstum der Arbeitslosenzahlen im April und Mai verglichen mit den jeweiligen Vorjahresmonaten und für unterschiedliche Altersklassen.

Diese Fakten müssten auch den Gewerkschaftern beim SGB bekannt sein. Umso pikanter ist deshalb, dass sie sich in ihrer Studie auf Branchen fokussieren, die teilweise überdurchschnittlich viele ältere Arbeitskräfte beschäftigen. Das ist unseriös. Bei einem Personalabbau fallen nämlich in diesen Branchen bei einem über die Altersklassen gleichverteilten Abbau von Stellen notwendigerweise mehr ältere Personen dem Rotstift zum Opfer. Ausserdem stellt der SGB durch diese gezielte Branchenwahl gerade jene Arbeitgeber an den Pranger, die in guten Zeiten besonders viele ältere Arbeitskräfte anstellen. Genau diese Anstellungspraxis fordert der SGB üblicherweise ein.

Zudem wurde die Vergleichs-Altersklasse 40 bis 54 Jahre von den Gewerkschaften so feinjustiert, dass jüngere Jahrgänge – die am stärksten unter der Arbeitslosigkeit als Folge der Corona-Krise leiden – unberücksichtigt bleiben. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, wurden zwei Altersklassen gewählt, die gemessen an allen Personen über 15 Jahren ein unterdurchschnittlich starkes Wachstum bei der Anzahl Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten. Unklar bleibt zudem, woher der SGB die Rohdaten bezogen hat, denn eine Quellenangabe fehlt.

Zur Überprüfung der gewerkschaftlichen Analyse hat der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) die registrierten Arbeitslosen des Seco nach Branchen und Altersklassen repliziert und dabei je für die beiden Monate April und Mai gesondert erstellt (vgl. Abbildung 3 und 4).

Abbildung 3/4: Prozentuales Wachstum der Arbeitslosenzahlen im April (links) und im Mai (rechts) im Vergleich zu den beiden Vorjahresmonaten. Dabei sind die beiden Altersklassen 40 bis 54 Jahre (SGB) und 15 bis 54 Jahre (jüngere Jahrgänge) den älteren Personen (55 bis 64 Jahre) gegenübergestellt. Die Branchenauswahl wurde anhand der Zahl von Arbeitslosen getroffen.

Die in Abbildung 3 und 4 in Rottönen gezeigten Branchen sind diejenigen, die vom SGB berechnet wurden. Neben den beiden von den Gewerkschaften gezeigten Altersklassen ist zudem noch das Wachstum in der Altersklasse der 15- bis 54-Jährigen (inkl. der Jugendlichen) gezeigt, was Aufschluss über die gezielte Wahl der Altersklassen durch die Gewerkschaften gibt. Die so mit Seco-Arbeitslosenzahlen berechneten Wachstumsraten variieren zudem gegenüber den Gewerkschaftsangaben.

Es ist unbestritten, dass Arbeitslosigkeit für die Betroffenen gravierend ist und alles zu deren Verhinderung getan werden muss. Durch die Corona-Krise sind jedoch viele Unternehmen ohne eigenes Verschulden in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, die in einzelnen Fällen einen Stellenabbau unumgänglich macht. Ein Blick auf die Fakten zeigt dabei unmissverständlich, dass ältere Arbeitskräfte unterdurchschnittlich stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind und ihre Arbeitslosenquote während der Corona-Krise zwischen März und Mai auch weniger stark als bei jüngeren Jahrgängen angestiegen ist. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote entspricht einem Durchschnitt über alle Branchen, wobei es notwendigerweise Branchen mit Arbeitslosenquoten über und unter diesem Durchschnittswert gibt. Wenn nun die Gewerkschaften gezielt jene Branchen in den Medien an den Pranger stellen, die überdurchschnittlich viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen mussten, so ist dies tendenziös. Zudem wirft es ein schiefes Licht auf die Arbeitnehmervertreter, denn in vielen Fällen sind genau jene Branchen der gewerkschaftlichen Kritik ausgesetzt, die in wirtschaftlich guten Zeiten viele ältere Arbeitskräfte beschäftigen. Dieses Thema ist zu ernst, als dass man damit auf billige Art und Weise Politik betreiben sollte.