IV-Sanierung nicht vergessen!

10. Oktober 2013 Meinungen

Nach dem Absturz der IV-Revision 6b muss der Bundesrat ein Zeichen setzen – vor allem auch mit Blick auf die Integrationsbemühungen.

Nach der unverantwortlichen Versenkung der IV-Vorlage 6b im Rahmen der parlamentarischen Einigungskonferenz in der Sommersession droht die Sanierung der Invalidenversicherung – trotz der immer noch enormen Schuld von über 14 Milliarden Franken – in Vergessenheit zu geraten. Das abrupte Ende hat die anfänglich vielversprechende und überlegt aufgegleiste Sanierung nicht verdient. Mit der 4. und der 5. IV-Revision, der darauffolgenden IV-Zusatzfinanzierung mittels bis Ende 2017 befristeter Erhöhung der Mehrwertsteuer sowie der anschliessenden IV-Revision 6a wurde ein Weg beschritten, der Vorbildcharakter hätte haben können – auch für andere sozialpolitische Reformen.

Der letzte Schritt blieb nun förmlich auf der Strecke. Und dies trotz der bewährten Regel: Wer «A» sagt, muss auch «B» sagen. Dies scheint überall zu gelten, ausser bei der IV: Wer «6a» sagt, muss offenbar nicht «6b» sagen!

Statt Ratlosigkeit ist Führung gefragt
In breiten Kreisen bestehen erhebliche Zweifel, ob der Sanierungspfad noch eingehalten werden kann. Zudem sind auch völlig unbestrittene Punkte auf der Strecke geblieben. Dies gilt namentlich auch für Bestrebungen zu einer besseren Integration insbesondere von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Es häufen sich zunehmend Rückmeldungen von IV-Stellen und Integrationsorganisationen, wonach das Ziel bei der Integration von Behinderten nicht erreicht werden kann. Es macht sich eine gewisse Ratlosigkeit breit. Die Dynamik scheint durch das ungute Signal stark abzuflachen.

Insbesondere mit Blick auf die Verunsicherung in Sachen Integrationsbemühungen muss der Bundesrat ein Zeichen setzen. Dies kann er tun, indem er rasch die unbestrittenen Bestimmungen der Vorlage 6b im Sinne einer «technischen Vorlage» noch einmal vorschlägt. Dazu gehören: die Bestimmungen zur Betrugsbekämpfung, die Vorgabe zur Tilgung der IV-Schulden beim AHV-Fonds sowie die Bestimmungen zur weiteren Verstärkung der Integration (mit einer Nettowirkung von 35 Millionen Franken). Nicht zu einer «technischen Vorlage» gehören das neue Rentensystem und der Interventionsmechanismus (Stabilisierungsregel). Diesbezüglich sind die Fronten nach dem parlamentarischen Disput zu verhärtet.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband würde das neue Rentensystem mit einer Grenze von 70 Prozent für volle Renten aus systemischen Gründen ebenfalls ablehnen. Was die vom Parlament sistierten Massnahmen anbelangt («Kinderrenten» und die Neugestaltung der Reisekosten), besteht im Moment lediglich bezüglich der Reisekosten ein gewisser Spielraum. Die geplanten Anpassungen sind möglichst weitgehend auf Verordnungsstufe an die Hand zu nehmen. Im Übrigen sind die erwähnten Reformpunkte Rentenmodell und «Kinderrenten» umgehend wieder zu lancieren, sobald sich die Abweichung vom Finanzierungspfad manifestiert.

Der Bundesrat hat es in der Hand, die Annahme der Motion Cassis zu beantragen, um technische Elemente der IV-Revision in Angriff zu nehmen. Mit dem Hinweis, dass er anschliessend dem Zweitrat beantragen wird, den Wortlaut anzupassen (da die Motion auch das neue Rentensystem explizit beinhaltet). Mit der Zustimmungsbereitschaft der massgeblichen Parteien könnte der Bundesrat dann auf die erneute Durchführung einer Vernehmlassung verzichten und das Verfahren entsprechend rasch vorantreiben.