Mehr Frauen in VR und GL: Weitere Schritte sind angezeigt

10. Juni 2022 Meinungen

Die Führungsgremien der Schweizer Firmen werden immer weiblicher. Jedes dritte neu zu besetzende Verwaltungsratsmandat geht inzwischen an eine Frau. Eine erfreuliche Entwicklung. Dennoch braucht es weitere Anstrengungen der Unternehmen und Wirtschaftsverbände.

Seit dem Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes 1996 ist viel erreicht worden. Die Unternehmen und Wirtschaftsverbände haben viel Basisarbeit geleistet, die jetzt ihre Wirkung erzielt. Der Anteil der Frauen in den Verwaltungsräten hat sich auf rund 26 Prozent erhöht. Frauen in den Geschäftsleitungen machen inzwischen 17 Prozent aus.

2021 sind für grosse börsenkotierte Unternehmen Geschlechterrichtwerte in Kraft getreten. Demnach sollen künftig in den Verwaltungsräten 30 Prozent und in Geschäftsleitungen 20 Prozent Frauen sitzen. Werden diese Richtwerte nicht eingehalten, müssen die Unternehmen im Geschäftsbericht die Gründe darlegen. Es zeichnet sich ab, dass diese Richtwerte bereits 2024, also vor Ablauf der vom Bund definierten Übergangsfrist, erreicht werden.

Dennoch braucht es weitere Anstrengungen, um das Potential an Frauen weiter auszuschöpfen. Rund eine Million Erwerbstätige gehen in den nächsten 10 Jahren in Pension, es rücken aber nur etwa eine halbe Million neue Arbeitskräfte nach. Der Kampf um Talente, speziell auch um Frauen, wird sich weiter verschärfen.

Wir müssen die Positionen an den Spitzen der Unternehmen also noch attraktiver machen. Dazu gehört eine noch bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Die externe Kinderbetreuung muss steuerlich stärker entlastet werden. Die Abschaffung der Heirats- und Zweitverdienerstrafe ist ein Muss. Die Individualbesteuerung, über die wir hoffentlich bald abstimmen werden, wird massgeblich dazu beitragen, dass sich mehr Frauen für Führungsfunktionen in Unternehmen entscheiden werden.

Manchmal sind es auch einfache, ganz praktische Veränderungen, die Führungsfunktionen für Frauen und Männer mit familiären Betreuungsaufgaben attraktiver machen. So kann es helfen, keine Sitzungen vor 9 Uhr oder nach 17 Uhr anzusetzen.

Aber auch in den Firmenkulturen sind zum Teil weitere Veränderungen wünschenswert. So sollten Führungsfunktionen auch in 80-Prozent-Pensen ausgeübt werden können. Die Präsenz- und Arbeitszeiten sollten auch auf Geschäftsleitungsstufe flexibler gelebt werden.

Auch die Wirtschaftsverbände stehen in der Verantwortung, noch mehr zu tun. So wollen wir die Sichtbarkeit von Frauen in weniger typischen Branchen wie zum Beispiel der Maschinenindustrie erhöhen. Wir müssen möglichst früh das Interesse von Frauen für traditionell «männliche» Berufe fördern.

Die Arbeitgeber sind überzeugt: Nicht nur die grossen börsenkotierten Unternehmen, auch viele KMU werden die Richtwerte des Bundes bald erreichen oder sogar deutlich übertreffen. In ein paar Jahren wird man die Geschlechterrichtwerte als politische Kosmetik bezeichnen können. Denn der Trend zu weiblicheren Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten hat lange vor den ersten politischen Bestrebungen dazu eingesetzt.