Am vergangenen Abstimmungssonntag ist es gleich in zwei Gemeinden zu einer schwerwiegenden Premiere gekommen. Sowohl die Stadtzürcher als auch die Winterthurer Stimmbevölkerung hat sich für einen kommunalen Mindestlohn ausgesprochen. Mit diesen Entscheiden geht das jahrelange Tauziehen um die Mindestlöhne nun definitiv in die nächste Runde.
Bereits im Jahr 2014 wurde die Schweizer Stimmbevölkerung mit dem Thema Mindestlohn konfrontiert. Das Verdikt an der Urne war mehr als klar: Mit einem Nein-Anteil von über 76 Prozent wurde ein nationaler Mindestlohn deutlich verworfen. Wer damals dachte, das Thema sei mit diesem klaren Volksentscheid vom Tisch, hat sich jedoch getäuscht. Vielmehr verlagerten sich die Diskussionen auf eine andere föderale Ebene. So kennt die Schweiz inzwischen in mehreren Kantonen Mindestlöhne.
Die jüngsten Entscheide in Zürich und in Winterthur offenbaren die Strategie, welche linke Kreise beim Mindestlohn fahren: Wenn auf nationaler Ebene kein Erfolg zu verbuchen ist, bringt man die Forderungen auf kantonaler Ebene vors Volk. Wenn auch diesem Unterfangen das Scheitern droht, wird der kommunale Weg eingeschlagen. Diese Tendenz zu immer mehr regionalen Mindestlöhnen ist aus Sicht der Arbeitgeber aus mehrerlei Hinsicht besorgniserregend.
Ob kantonal oder kommunal: Ein regionaler Mindestlohn schwächt unweigerlich den hiesigen Arbeitsmarkt, denn es werden Stellen für niedrig Qualifizierte und Gelegenheitsjobs verloren gehen. Aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden etwa Menschen mit fehlender Ausbildung, mit eingeschränkter Leistung, mit Sprachschwierigkeiten, aber auch Studenten oder Wiedereinsteiger. Sie alle sind die ersten Verlierer der Einführung eines verordneten Mindestlohns. Eine Unternehmensbefragung der Universität Basel untermauert diesen Befund am Beispiel Basel-Stadt. So gaben viele Unternehmen an, dass sie bei der Einstellung von Personal zurückhaltender vorgehen und weniger Investitionen tätigen als noch vor der Einführung des Mindestlohns.
Ein solches Lohndiktat beeinflusst das ganze Lohngefüge in einem Betrieb. Eine Erhöhung der tiefsten Löhne wird unweigerlich alle darüber liegenden Löhne eines Unternehmens nach oben drücken. Darunter leidet die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.
Da die Höhe des Mindestlohns und dessen Geltungsbereich je nach Kanton und Gemeinde unterschiedlich sind, führen kantonale und kommunale Mindestlöhne unweigerlich zu einem Flickenteppich. Dies zeigt sich bereits an den beiden jüngsten Entscheiden. Während Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Winterthur künftig mindestens 23 Franken pro Stunde erhalten sollen, beträgt der Mindestlohn in der Stadt Zürich 23.90 Franken. Wie sich dies auf die Standortattraktivität auswirken wird und wie die Betriebe reagieren werden, wird sich erst noch weisen.
Fatal ist ein Lohndiktat – unabhängig ob national, kantonal oder kommunal – auch für die Berufsbildung. Wenn Ungelernte dank eines Mindestlohns in einem Beruf so viel verdienen können wie Gelernte, leidet darunter die Bereitschaft zur Aus- und Weiterbildung. Besonders schwerwiegend ist dies für junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen und sich – geblendet von einem Mindestlohn – gegen eine Berufslehre entscheiden.
Eine weitere Verliererin regionaler Mindestlöhne ist die Sozialpartnerschaft. Im Schweizer Erfolgsmodell werden Löhne und weitere Regelungen aus gutem Grund auf betrieblicher oder sozialpartnerschaftlicher Ebene festgelegt. Mit der Einführung eines Mindestlohns verschiebt sich der Verhandlungsspielraum von den Sozialpartnern, die die verschiedenen Aspekte des Arbeitsvertrages gewichten, zu einer oftmals regulierungsfreudigen Politik. Diese politischen Eingriffe schwächen den flexiblen, anpassungsfähigen Arbeitsmarkt erheblich und setzen damit einen der wichtigsten Standortvorteile der Schweizer Wirtschaft aufs Spiel.