«Die Arbeitsmarktsituation im Fricktal ist anders als im Tessin»

11. Oktober 2016 Medienbeiträge

Der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt, referiert am Forum Botia vom 20. Oktober zum Thema «Die Schweiz – eine Standortbestimmung der Arbeitgeber». In der Neuen Fricktaler Zeitung beantwortete er vorab einige Fragen.

Herr Vogt, hier an der Landesgrenze gibt es viele Grenzgänger. Wie stehen Sie zum Thema Fachkräfte aus dem Ausland?
Der Schweizer Arbeitsmarkt ist im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung klein. Wir werden deshalb immer auf die Zuwanderung angewiesen sein.

Es heisst ja, das Kontingent für ausländische Arbeitnehmer sei erschöpft.
Das Volk hat im Februar 2014 entschieden, dass die Schweizer die Zuwanderung aus dem EU/Efta-Raum steuern soll. Jetzt geht es darum, gemeinsam mit dem Parlament eine Lösung zu finden, die es erlaubt, einerseits die Bilateralen zu erhalten, anderseits auch den Willen des Volkes umzusetzen.

Kann man überhaupt das Thema ausländische Arbeitskräfte gesamtschweizerisch betrachten oder muss es bei Regionen an der Landesgrenze behutsamer angegangen werden?
Wir haben ein Berufsgruppen-Modell vorgestellt, das erlaubt, die Zuwanderung regional nach Berufsgruppen und befristet zu steuern. Denn die Arbeitsmarktsituation im Fricktal ist ganz anders als diejenige im Tessin, oder im Baselbiet, dort wo drei Länder zusammenkommen. Das muss man berücksichtigen; und wer das nicht macht, macht in meinen Augen einen Fehler.

Kann man sagen, die Schweiz hat die Probleme mit dem starken Franken überwunden?
Vermutlich kann man das so noch nicht sagen, in den letzten 18 Monaten sind die kurzfristigen Anpassungen erfolgt. Wir gehen davon aus, dass in der Zwischenzeit rund 15’000 Stellen in der Schweiz auf Grund des starken Frankens abgebaut worden sind. Es werden nach unseren Vermutungen noch zusätzliche 5000 Stellen abgebaut werden. Die Schweizer Wirtschaft hat sich mit dieser Situation arrangiert und sich entsprechend angepasst. Man ist in der Produktivität-/Effizienz-Steigerung, die man in den letzten Jahren machte, wieder zurückgeworfen worden.

Der Nationalrat hat beschlossen, das Rentenalter der Frauen auf 65 zu erhöhen, und wenn in der AHV eine Unterdeckung ist, das AHV-Alter generell auf 67 zu erhöhen. Die Vorlage geht ja nun an den Ständerat. Was sagen die Arbeitgeber zu diesem Vorschlag?
Die Rentenalter-Anpassung auf 65/65 war längst überfällig. Wir haben dem Parlament einen Interventions-Mechanismus vorgeschlagen. Dies bedeutet, wenn der Ausgleichsfonds der AHV unter 100 Prozent sinkt, dann hat die Politik, sprich der Bundesrat und das Parlament, vier Jahre Zeit, Massnahmen zu ergreifen: Seien es mehr Einnahmen oder die Erhöhung des Rentenalters oder andere Massnahmen. Und falls dies nicht gelingt und der Stand des Ausgleichsfonds unter 80 Prozent sinkt, dann wird das Rentenalter in vier-Monatsschritten auf maximal 67 Jahre erhöht. Rentenalter 66/66 für Männer und Frauen würde so frühestens 2036 eingeführt. Alle, die heute älter sind als 46 wird es nicht mehr betreffen. Es ist schwierig, dies der Bevölkerung zu vermitteln. Als Pascal Couchepin dieses Thema zum ersten Mal aufbrachte, ist er ziemlich hart angegangen worden und erhielt harsche Reaktionen. Jetzt ist die Diskussion sachlicher.

Steht die Rentenalter-Erhöhung nicht im krassen Widerspruch zur Tatsache, dass die 50+Generation Mühe bei der Suche nach Arbeitsplätzen hat, beziehungsweise die Arbeitsplätze von 50+Leuten durch günstigere junge Leute besetzt werden?
Es gibt viele Einzelschicksale, ich kenne auch einige davon, aber dies ist nicht der Regelfall. Die Erwerbsquote bei den über 50-Jährigen ist höher als im schweizerischen Durchschnitt, zudem haben wir eine tiefere Arbeitslosigkeit in diesem Segment. Wenn man seine Stelle mit über 50 Jahren verliert, dauert es deutlich länger, bis man eine neue Stelle gefunden hat. Ein Beispiel: Als man das Rentenalter der Frauen von 62 auf 64 erhöhte, haben die Frauen einfach länger gearbeitet – es ist ja nicht so, dass man mit 65 dann entlassen wird und bis 67 eine neue Stelle suchen müsste. Die Demographie des Schweizer Arbeitsmarktes wird sich in den nächsten 20 Jahren komplett verändern. Heute verlassen pro Jahr 5000 Personen mehr den Arbeitsmarkt als hinzukommen. In zehn Jahren werden es 50’000 pro Jahr sein, die Chancen der älteren Mitarbeitenden auf dem Arbeitsmarkt werden sich so weiter verbessern. Zudem reden wir von einer Rentenalter-Anpassung in frühestens 20 Jahren von heute.

Das Interview mit Valentin Vogt ist in der Neuen Fricktaler Zeitung erschienen.