Der Wohlstand fällt nicht vom Himmel

22. Juni 2024 News

Der Wohlstand in der Schweiz kommt nicht von ungefähr: Dank dem Marktzugang zum EU/EFTA-Raum durch die bilateralen Verträge mit der EU und der Personenfreizügigkeit prosperieren viele Schweizer Unternehmen. Doch politische Angriffe gefährden diese Grundlagen und damit die wirtschaftliche Stabilität des Landes.

Unabhängig davon, welches Ranking betreffend wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit herangezogen wird: Die Schweiz reiht sich stets in den vordersten Rängen ein. So belegt sie mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit im IMD World Competitiveness Ranking hinter Dänemark und Irland den dritten Platz. Noch besser steht sie beim Global Talent Competitiveness Index des World Economic Forums da, dessen Rangierung sie sogar anführt. Hauptgrund für unsere Wettbewerbsfähigkeit sind die unzähligen hochkompetitiven Schweizer Klein-, Mittel- und Grossunternehmen und deren Mitarbeitende.

Für ein kleines offenes Land wie die Schweiz, das weder über reiche Rohstoffvorkommen noch ein ausreichend grosses Arbeitskräftepotenzial zur Deckung der grossen Arbeitskräftenachfrage verfügt, sind diese internationalen Auszeichnungen und das rekordverdächtig hohe Wohlstandsniveau alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Gründe dafür liegen hauptsächlich in den guten Rahmenbedingungen, welche erfolgreiches Wirtschaften im harten Wettbewerb ermöglichen, wozu ein geordneter Marktzugang zu unserem wichtigsten Handelspartner, der Europäischen Union (EU), unerlässlich ist. Genau dafür wurden vor 25 Jahren die bilateralen Verträge I mit der EU ins Leben gerufen und seither laufend weiterentwickelt. Das Marktöffnungsabkommen umfasst Abkommen in den Bereichen Forschung, Luft- und Landverkehr und weitere. Die Schweizer Bevölkerung hat diesen erfolgreichen Weg bereits 11-mal demokratisch legitimiert.

Dringend benötigte Arbeitskräfte für Schweizer Unternehmen

Als Nicht-EU-Mitglied mit einer stark exportorientierten Industrie ist der Wirtschaftsstandort Schweiz auf einen gleichberechtigten Zugang zum Europäischen Binnenmarkt angewiesen. Mit den Abkommen der Bilateralen I und II können die hiesigen Unternehmen ihre Arbeitsplätze, welche sie nicht mit Inländern besetzen können, auch mit den dringend benötigten Arbeitskräften aus dem EU/EFTA-Raum besetzen.

Die Fakten auf dem Arbeitsmarkt sind klar: Uns fehlen aufgrund der wachsenden Wirtschaft und der Demographie zunehmend die Arbeitskräfte. Selbst im Falle einer besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials werden die Unternehmen auch künftig auf ein vernünftiges Mass an Zuwanderung angewiesen sein. Dementsprechend wichtig ist für die Wirtschaft das den Bilateralen Verträgen zugehörige Abkommen zur Personenfreizügigkeit (PFZ). Damit können Arbeitskräfte unbürokratisch und komplementär zur inländischen Erwerbsbevölkerung im EU/EFTA-Raum rekrutiert werden.

Die Bedeutung der arbeitsmarktbezogenen Zuwanderung für die Wirtschaft zeigt sich exemplarisch anhand des Gesundheitswesens. So erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen im Gesundheitswesen zwischen 2010 bis 2020 um rund 188’000 Personen, wobei 34 Prozent davon aus dem EU/EFTA-Raum stammen. Es braucht wenig Vorstellungskraft, um sich ein Szenario des Gesundheitswesens ohne zugewanderte Arbeitskräfte vorzustellen.

Trotzdem sind die Bilateralen im Allgemeinen als auch die PFZ im Speziellen politisch immer wieder unter Beschuss. Neuster Angriff ist die sogenannte Nachhaltigkeitsinitiative der SVP, wobei schon der Name verschleiert, um was es in der Initiative wirklich geht. So würde die Initiative den Bundesrat beauftragen, bei Überschreitung der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz von 10 Mio. Menschen vor 2050, Massnahmen zur Senkung der Zuwanderung zu ergreifen.

Nun ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Bevölkerungszunahme in der Schweiz bei gewissen Bevölkerungskreisen Sorgen und Ängste auslöst. Aber die radikale SVP-Initiative kann nicht die Lösung sein. Denn was die Initianten verschweigen, sind die einschneidenden Folgen im Falle einer Annahme dieser Initiative. Denn als Folge der Guillotineklausel würden die Bilateralen hinfällig, die wirtschaftliche Dynamik abnehmen und der Wohlstand zurückgehen. Schleichend, aber kontinuierlich. Die Alternative zum heutigen System ist keine Schweiz auf dem heutigen Wohlstandsniveau, aber ohne Ausländer. Sondern es geht um die Frage, ob man lieber von einem ausländischen Arzt oder Servierpersonal bedient wird – oder gar nicht mehr.