Die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind laut Ihrer Studie im Schweizer Arbeitsmarkt besser integriert als noch vor zehn Jahren. Wo sehen Sie die Gründe?
Ein wichtiger Treiber ist die gestiegene Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen in dieser Altersgruppe. Bei ihnen stieg die Erwerbstätigenquote besonders stark an – vor allem aus Gründen eines sich wandelnden Rollenbilds. Aber auch die Erwerbstätigenquote der Männer nahm leicht zu, in erster Linie im Alter ab 60. Hier dürfte eine rückläufige Frühpensionierungsquote mitverantwortlich sein. Vermutlich ist die gestiegene Erwerbstätigenquote auch ein Symptom der demografischen Alterung der Erwerbsbevölkerung. So haben zum Beispiel Unternehmen mit einem hohen Anteil an über 55-Jährigen in der Belegschaft diese häufiger neu eingestellt als andere Unternehmen. Und im internationalen Vergleich zeigt sich: Je älter eine Volkswirtschaft wird, desto höher ist die Arbeitsmarktbeteiligung der über 55-jährigen Bevölkerung.
Insgesamt scheiden gemäss ihren Schätzungen etwa 6 bis 7 Prozent der Bevölkerung aufgrund fehlender Arbeitsnachfrage zwischen dem 55. Altersjahr und dem ordentlichen Rentenalter unfreiwillig aus dem Erwerbsleben aus. Überraschen Sie diese tiefen Zahlen?
Da wir im April bereits eine Studie zu diesem Themenbereich publizierten, ahnten wir, dass diese Zahl nicht sehr hoch ausfallen kann. Es ist richtig: Man kann angesichts dieser Zahlen nicht von einem systematischen Abdrängen älterer Erwerbstätiger in den unfreiwilligen Frühruhestand sprechen. Gleichzeitig ist die Zahl aber höher, als der übliche Verweis auf die tiefere Arbeitslosenquote ab 55+ impliziert. Und offenbar ist die Zahl hoch genug, dass sich die meisten Erwerbstätigen ab 55 vor den Konsequenzen eines Stellenverlusts fürchten.
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen über das Pensionsalter hinweg arbeiten. Was bräuchte es von den Arbeitgebern konkret, um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen?
Ein gesteigertes Bewusstsein bei mehr Unternehmen dafür, dass viele ihrer Mitarbeitenden vielleicht über das ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten möchten, könnte bereits helfen. Die meisten befragten Personalverantwortlichen glauben nämlich, dass ihre Mitarbeitenden in der Regel gar nicht länger arbeiten wollen. Weiter braucht es vor allem Wertschätzung und ein gutes Betriebsklima, wie unsere Befragung bei Erwerbstätigen ab 55 zeigt. Häufig wichtiger als finanzielle Anreize ist zudem die Möglichkeit, die Arbeitslast im weiteren Sinne zu reduzieren. Rund die Hälfte der über 55-jährigen Erwerbstätigen nennt dies als Bedingung für ein Weiterarbeiten nach 64/65. Dazu gehört demnach auch die Möglichkeit einer Pensumsreduktion. Gewisse Erwerbstätige lassen sich aber auch mit finanziellen Anreizen – wie einer höheren künftigen Rente – überzeugen.
Sie sehen einen Zusammenhang zwischen den neuen Überbrückungsleistungen und der Akzeptanz der Erhöhung des Rentenalters. Wie sieht dieser genau aus?
Etwa 60 Prozent der befragten Erwerbstätigen im Alter zwischen 55 und 64 sind eher oder klar gegen eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters. Aber fast die Hälfte dieser Mehrheit gab an, dass ihre Akzeptanz einer Rentenaltererhöhung mit der Einführung von Überbrückungsleistungen steigen würde. Das bedeutet zwar nicht, dass nun, da die Überbrückungsleisten in Kraft sind, plötzlich alle für ein höheres Rentenalter sind. Unser Umfrageresultat zeigt jedoch, dass eine zusätzliche Absicherung gegen die Folgen einer Erwerbslosigkeit ab 55 die Rentenalterdiskussion durchaus positiv beeinflussen kann.
Was denken Sie ist für die Schweizer Arbeitgeber das wichtigste Learning aus der Studie?
Ich glaube, vieles wird schon richtig gemacht. Es gibt verschiedene Programme, zum Beispiel von einzelnen Branchenverbänden, die sich dieser Problematik widmen. Und es gibt Unternehmen aus allen Branchen, die sich aktiv um ältere Mitarbeitende bemühen. Trotzdem zeigt unsere Studie: Heute klagen viele Unternehmen über Fachkräftemangel, unternehmen aber trotzdem kaum aktiv etwas, um ältere Erwerbstätige länger im Betrieb zu halten. Gewisse Unternehmen unterschätzen zudem die kommenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Der Fachkräftemangel dürfte demografisch bedingt weiter zunehmen. Und davon werden nicht nur jene Unternehmen betroffen sein, welche direkt mit Pensionierungen konfrontiert sind. Die Notwendigkeit, ältere Erwerbstätige länger im Arbeitsprozess zu halten, wird allgemein zunehmen.