Klares Commitment der Arbeitgeber

1. April 2011 Meinungen

Mit der 6. IV-Revision sollen vermehrt handicapierte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden. Integrationsmassnahmen wie Arbeitsversuche und Auffangregelungen sollen dazu beitragen, das ambitiöse Ziel zu erreichen. Die Arbeitgeberschaft unterstützt die Maxime «Eingliederung vor Rente» und ist bereit, ihren Teil zur Umsetzung beizutragen.

Die Invalidenversicherung (IV) ist mit rund 15 Mrd. Franken verschuldet und schreibt einen Jahresverlust von über 1 Mrd. Franken. Die Sanierung ist dringend. Der Bundesrat hat dazu einen Mehrstufen-Plan erstellt, der nun konsequent abzuarbeiten ist. Wegleitend ist dabei die Rückkehr der IV zu ihrer ursprünglichen Maxime «Eingliederung vor Rente», d.h. die IV soll (wieder) zu einer Integrationsversicherung werden. Mit der 5. IV-Revision wurde dieser Paradigmenwechsel eingeleitet, wobei vor allem Instrumente geschaffen wurden, um handicapierte Menschen im Arbeitsprozess zu behalten.

Integrationsinstrumente der IV-Revision 6a
Die 6. IV-Revision setzt den Umbau zur Integrationsversicherung fort und will namentlich die Einstellung von bisherigen Rentenbezügern fördern. Mit solchen «Eingliederungen aus der Rente» soll von 2012 bis 2018 der Bestand von heute 250’000 (gewichteten) Renten um rund 5%, also 12’500, reduziert werden. Dieses Ziel ist ambitiös, jedoch nicht unmöglich. Zu seiner Erreichung braucht es die gemeinsame Anstrengung der Arbeitgeber, der IV-Stellen und der Betroffenen. Sie alle müssen sich bewusst sein, dass von ihnen ein wesentlicher Beitrag zur Beseitigung des strukturellen Defizits der IV bis zum Ablauf der Zusatzfinanzierung Ende 2017 verlangt wird.

Der erste Teil der 6. IV-Revision, die sogenannte IV-Revision 6a, wurde in der Frühjahrssession vom Parlament verabschiedet und soll – vorbehältlich eines Referendums – per 1. Januar 2012 in Kraft treten. Im Zentrum steht das Ziel, vermehrt Behinderte in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Freie Arbeitsplätze sollen mit Behinderten besetzt werden, deren Beeinträchtigungen für die Stelle keine Rolle spielen oder mit geeigneten Integrationsmassnahmen der IV überwunden werden können. Dazu wird ein vielfältiges Instrumentarium bereitgestellt, das die negativen Anreize für Arbeitgeber und Betroffene, die heute der Eingliederung ins Erwerbsleben entgegenwirken, abbaut.

Arbeitsversuch und Auffangregelung
Um den Eingliederungserfolg zu erreichen, sieht die Revision u. a. die Möglichkeit eines sogenannten «Arbeitsversuchs» während 180 Tagen vor. Dabei handelt es sich um eine Massnahme der IV und kein Arbeitsverhältnis. Der Arbeitsversuch ist daher für beide Seiten ohne Risiko. Der Arbeitgeber kann zudem – das ist vor allem für die Eingliederung von psychisch labilen Menschen wichtig – bei der Betreuung der Betroffenen auf die fachliche Unterstützung (Coaching) durch die IV-Stellen zählen. Arbeitsversuch, Betreuung und weitere Massnahmen bauen personalpolitische und finanzielle Risiken ab, welche bisher manche Arbeitgeber daran hinderten, eine Eingliederung zu versuchen.

Für die Betroffenen sieht die Revision eine dreijährige Auffangregelung für den Fall vor, dass die Wiedereingliederung  scheitert. Bei einer erneuten, gesundheitsbedingten Leistungseinbusse in dieser Dreijahresperiode richtet die IV unbürokratisch und rasch eine Übergangsleistung aus, und der Invaliditätsgrad wird neu überprüft. Damit wird den bisherigen Ängsten der Betroffenen, bei einem gescheiterten Wiedereingliederungsversuch die Rente zu verlieren, wirkungsvoll begegnet. Der Arbeitgeber seinerseits muss den Versicherungsfall nicht der Krankentaggeldversicherung melden und ist daher vor allfälligen Prämienerhöhungen oder einer Kündigung seiner Police geschützt.

Schlüsselfunktion der kantonalen IV-Stellen
Mit den geschilderten Massnahmen werden die Rahmenbedingungen für die Eingliederung von (Teil-)Invaliden sowohl für die Betroffenen wie für die Arbeitgeber grundlegend verbessert. Dabei liegt ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Erreichung des angestrebten Eingliederungsziels in der Beziehung zwischen den Arbeitgebern und den kantonalen IV-Stellen. Letzteren obliegt es, im Prozess der Arbeitsvermittlung, also beim Matching zwischen Stellenprofil sowie Ausbildungs- und Eingliederungsprofil des Betroffenen, den «Feldkontakt» zu den Arbeitgebern herzustellen. Ähnlich wie den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) in der Arbeitslosenversicherung kommt ihnen bei der IV-Eingliederung eine zentrale Bedeutung zu.

Auch private Stellenvermittlungs-Plattformen im Internet, wie z. B. www.myhandicap.ch von der Stiftung MyHandicap («Jobs für Behinderte – Behinderte für Jobs») tragen zur Verbesserung des erwähnten Matchings bei. Es ist zudem wichtig, in sogenannten «Netzwerken Arbeit» den Kontakt unter den Arbeitgebern, den IV-Stellen und privaten Eingliederungsinstitutionen (z. B. «IPT integration für alle» und «Profil – Arbeit & Handicap») auszubauen und zu koordinieren.

Sensibilisierung aller Stakeholder nötig
Neben den personell verstärkten kantonalen IV-Stellen müssen aber alle am Eingliederungsprozess beteiligten Stakeholder – Arbeitgeber, Betroffene und Mitarbeitende, ja auch die Gesellschaft als Ganzes – für die Aufgabe der Wiedereingliederung sensibilisiert und motiviert werden. Dafür sind gezielte Massnahmen in die Wege zu leiten, sei es über Verbände, Medien oder andere geeignete Informationskanäle. Ein diesbezügliches Beispiel ist die Internetplattform www.compasso.ch, welche die Arbeitgeber über alle Eingliederungsaspekte informiert und Einzelbeispiele aufgezeigt.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) ist überzeugt, dass die neuen gesetzlichen Instrumente und ein allgemeiner Mentalitätswechsel die freiwilligen Integrationsanstrengungen zum Erfolg führen werden. Es ist uns allen bewusst, dass die mit der 6. IV-Revision anvisierte Rückführung von rund 17’000 Rentenbezügern ins Erwerbsleben ambitiös ist. Aber die Sanierung der IV lässt uns keine Wahl. Die Arbeitgeberschaft ist jedenfalls bereit, ihren Teil zur Umsetzung der Maxime «Eingliederung vor Rente» beizutragen.

Um sie dabei zu unterstützen, muss das Massnahmenpaket der IV-Revision 6a rasch in der Praxis verfügbar sein. Das Parlament hat dazu mit der Verabschiedung der Vorlage in der Frühjahrssession die nötige Arbeit geleistet. Kann die IV-Revision 6a planmässig am 1. Januar 2012 in Kraft treten, dann ist noch ein grosser Informations- und Sensibilisierungsaufwand zu leisten, um den Arbeitgebern die neuen Eingliederungsmassnahmen nahezubringen. Neben den bereits erwähnten Aktivitäten wird der SAV – zusammen mit Behörden und anderen Organisationen – in den kommenden Monaten zusätzliche Anstrengungen unternehmen, damit die verbesserten gesetzlichen Rahmenbedingungen bestmöglich für die Behindertenintegration genutzt werden.