Eine 13. AHV-Rente: warum sie mehr Probleme schafft als sie löst

Der demografische Wandel stellt die AHV vor grosse Herausforderungen. Mit einer 13. AHV-Rente für alle wird das wichtigste Sozialwerk der Schweiz unnötig zusätzlich belastet. Die Initiative wirkt auf den ersten Blick verlockend, würde aber zu unnötigen Mehrkosten für alle führen.

Die AHV ist eine der tragenden Säulen der Schweizer Altersvorsorge. Neben der beruflichen und privaten Vorsorge sichert sie als staatliche Vorsorge den Existenzbedarf ab Eintritt in das Rentenalter. Die AHV wird im Umlageverfahren finanziert. Das heisst, die heutigen Erwerbstätigen und Arbeitgeber bezahlen mittels Lohnabzüge den heutigen Rentenberechtigten ihre AHV-Rente. Weiter wird sie mit der Beteiligung durch den Bundeshaushalt (gut ein Fünftel der Ausgaben) und mit Steuereinnahmen (Einkommens- und Vermögenssteuer, Mehrwertsteuer etc.) finanziert.

Im Zuge der demografischen Entwicklung (die Lebenserwartung steigt; die Babyboomer gehen in Pension) verstärkt sich das Missverhältnis zwischen Einzahlenden und Pensionierten: Während 1948 noch 6,5 Einzahlende auf eine Person im Rentenalter kamen, so waren es 2022 noch 3,2 und werden es 2050 noch 2,1 Einzahlende sein. Mit anderen Worten: Immer weniger Erwerbstätige müssen die AHV für immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren. Das allein stellt bereits eine grosse Herausforderung für die Finanzierung eines unserer wichtigsten Vorsorgewerke dar.

Quelle: Referenzszenario des BFS, eigene Darstellung

Schaut man sich die Finanzperspektiven der AHV an, wird klar: Bereits ab dem Jahr 2030 übersteigen bei der AHV die Ausgaben die Einnahmen. Dass dieser Moment nicht bereits früher eintrifft, haben wir auch der vor kurzem beschlossenen AHV21-Reform zu verdanken. Mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen und der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 8,1 Prozent, konnte erreicht werden, dass das Umlageergebnis – die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben – immerhin bis 2030 positiv bleibt. Ab dann schreibt das Sozialwerk wieder rote Zahlen, wodurch die Finanzierung der laufenden Renten nicht mehr gesichert ist.

Wie die Finanzierung anschliessend im Lot bleiben soll, muss die Politik spätestens bis 2026 definieren. Bis dann muss der Bundesrat eine weitere AHV-Reform zur Stabilisierung der AHV präsentieren.

Die 13. AHV-Rente – eine verfängliche Idee

Dass nun – inmitten der Bestrebungen zur längerfristigen Stabilisierung der AHV – die Idee für eine 13. AHV-Rente ins Spiel kommt, ist verantwortungslos. Die Einfachheit der Lösung besticht auf den ersten Blick: Simpel und einfach sollen jede Rentnerin und jeder Rentner zusätzlich zur bestehenden AHV-Rente die Monatsrente noch ein 13. Mal erhalten. In Zeiten der deutlich steigenden Krankenkassenprämien und höheren Lebensmittelpreisen scheint es zunächst einmal eine soziale Lösung zu sein. Auch mit Blick auf das eigene Portemonnaie mag eine 13. AHV-Rente attraktiv erscheinen, schliesslich würde ein jährlicher Rentenzuschlag von 1’225 bis 2’450 Schweizer Franken vermeintlich zur Verbesserung des Lebensunterhalts beitragen. Woher die Finanzierung einer 13. AHV-Rente kommen soll, darüber schweigen sich die Initianten aus.

Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass eine 13. AHV-Rente massive Mehrausgaben zur Folge hätte, welche finanziert werden müssten. Es resultierte ein finanzielles Loch, das auf der Einnahmeseite zwangsläufig gefüllt werden muss. Betrachtet man die untenstehende Prognose des Umlageergebnisses, kann man bei der 13. AHV-Rente ohne Übertreibung von einem Brandbeschleuniger für die Ruinierung der AHV-Finanzen sprechen.

Quelle: BSV 2022

Zur einnahmeseitigen Kompensation der 13. AHV-Rente gibt es im Wesentlichen zwei mögliche Massnahmen. Die erste wäre eine Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt, was zu höheren Lebenshaltungskosten durch steigende Preise für Einkäufe von Lebensmitteln und Kleidern oder Dienstleistungen wie Restaurantbesuche führen würde. Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit wären höhere Lohnabgaben. Damit würde die Finanzierung auf dem Rücken der Erwerbstätigen, welche ebenfalls unter den steigenden Lebenshaltungskosten leiden, ausgetragen – ist das sozial und nachhaltig? Diese Frage wird wohl niemand bejahen können. Zusammengefasst lässt sich vielmehr sagen: Der Kaufkraft der breiten Bevölkerung – insbesondere des Mittelstands – wird mit einer 13. AHV-Rente mittel- und langfristig kein Gefallen getan.

Mit falschen Narrativen aufräumen

Von den Initianten sowie ihnen nahestehenden Organisationen liest und hört man zur Zeit viele Argumente für eine 13. AHV-Rente. Viele sind schlicht unwahr und mittels Fakten einfach zu widerlegen.

Die Befürworter behaupten etwa, die finanzielle Lage der AHV sei gut und verkennen dabei klar die Tatsachen: So zeigt die obenstehende Grafik, dass die Ausgaben der 1. Säule bereits ab dem Jahr 2030 die Einnahmen übersteigen. Ab diesem Zeitpunkt wird das Umlageergebnis drastisch ins Negative fallen. Dass die AHV in der Vergangenheit immer wieder den Rank ins Positive schaffte, ist darauf zurückzuführen, dass jeweils kostspielige Reformen eingeleitet wurden – immer verbunden mit hohen Abzügen und Kosten für alle.

Die Initianten behaupten gerne, die Schweiz sei reich genug und könne sich eine 13. AHV-Rente leisten. So sei ja auch für das Asylwesen oder die Armee genug Geld da. Zum ersten, dem «Sich-leisten-können»; Ja, die Schweiz ist ein wohlhabendes Land. Dies haben wir aber zu einem wesentlichen Teil dem verantwortungsbewussten und haushälterischen Umgang mit dem Geld zu verdanken. Dazu gehört auch, dass Geld, das ausgegeben wird, zuerst eingenommen werden muss. Mit den Mehrkosten für eine 13. AHV-Rente – bereits im Jahr 2026 wären es notabene 4,2 Milliarden Schweizer Franken – verhält es sich gleich. Zum zweiten, den Bundesausgaben: der Bund hat gebundene Ausgaben zu erbringen, worunter beispielsweise das Asyl- oder Armeebudget fallen. Er kann nicht einfach vom einen Topf Gelder entfernen und in den Topf der AHV umleiten. Die AHV wird bereits heute zu mehr als 20 Prozent durch den Bundeshaushalt finanziert (siehe untenstehende Grafik), womit sie der wichtigste Budgetposten ist. Würden die Zuwendungen an die AHV erhöht, müsste dieser Betrag zur Einhaltung der Schuldenbremse unweigerlich bei einem anderen Ausgabenposten eingespart werden. Mit Blick auf die vergangene Budgetdebatte im Nationalrat kann man sich nur zu gut vorstellen, in was für einen Verteilkampf eine Erhöhung der AHV-Ausgaben münden würde.

Quelle: Datenportal des EFD, eigene Darstellung

Ebenso wenig stimmt das Argument, dass Altersarmut in der Schweiz weit verbreitet sei. Der Grossteil der heutigen Rentnerinnen und Rentner sind vermögend und haben im Schnitt sechsmal mehr Geld zur Verfügung als Haushalte von heute Erwerbstätigen.

Dass es auch in der Schweiz Fälle von Altersarmut gibt, ist unbestritten. Jedoch gibt es mit den Ergänzungsleistungen bereits ein Gefäss, das den Betroffenen unter die Arme greift. Einen Anspruch darauf können die Rentnerinnen und Rentner dann geltend machen, wenn die Renten die Lebenskosten in der Schweiz nicht decken. Damit wird bereits heute eine bedarfsgerechte und faire Unterstützung sichergestellt. Die AHV-Renten werden zudem in der Regel alle zwei Jahre entsprechend dem «Mischindex», dem Durchschnitt aus Lohn- und Preisentwicklung, angepasst. Damit ist sichergestellt, dass die Teuerung bei den Rentenanpassungen angemessen berücksichtigt wird.

Im Gegensatz zu den zielgerichtet einsetzbaren Ergänzungsleistungen, welche von 12 Prozent der Rentnerinnen und Rentnern bezogen werden, wird bei einer 13. AHV-Rente das Geld mittels Giesskanne an alle Rentnerinnen und Rentner verteilt. Dass auch Personen, die nicht auf dieses Geld angewiesen sind, von der Massnahme profitieren würden, ist unbegreiflich und gleichwohl ungerecht. Die Ungerechtigkeit einer 13. AHV-Rente gipfelt aber zweifelsohne darin, dass diese Personen auch noch einen deutlich höheren Rentenzuschlag erhalten würden als Personen mit geringen Renten. In Zahlen ausgedrückt wäre der Rentenzuschlag für Bezüger der AHV-Maximalrente mit 2’450 Schweizer Franken doppelt so hoch wie bei Personen mit der tiefsten AHV-Rente.

Weitsichtige Lösungen sind gefragt – dazu gehört ein Nein zur 13. AHV-Rente

Ein Nein zur 13. AHV-Rente hat nichts mit Neid, Missgunst oder Geringschätzung gegenüber der heutigen Rentengeneration zu tun. Alle sind sich dem Fleiss und der Schaffenskraft der heutigen Pensionierten bewusst und dankbar für das, was sie geleistet haben. Nun aber kopflos mit einer Giesskanne – deren Finanzierung notabene nicht sichergestellt ist – eine 13. AHV-Rente an alle Rentnerinnen und Rentner auszurichten, ist schlicht verantwortungslos. Dies gilt umso mehr, als dass dieser Schuldenberg den nächsten Generationen aufgebürdet würde.

Statt in den Sozialwerken immer weiter Geld auszugeben, ohne die Konsequenzen sauber abzuschätzen, sollten wir der Negativspirale von immer höheren Ausgaben ein Ende setzen, die Politik mit der nachhaltigen Sanierung der AHV beauftragen und am 3. März 2024 Nein zur kurzsichtigen und fatalen 13. AHV-Rente sagen.