Die BVG-Kommission auf Abwegen

27. August 2019 Medienmitteilungen

Die BVG-Kommission empfiehlt dem Bundesrat mit einer knappen Mehrheit für 2020 einen Mindestzinssatz von 1,0%. Der Zins soll demnach auf dem gleichen Niveau wie dieses Jahr bleiben. Damit missachtet die Kommission nicht nur das schwierige Umfeld der Vorsorgeeinrichtungen, sondern schlägt auch die eigenen Regeln in den Wind. Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) fordert den Bundesrat auf, den Mindestzinssatz unabhängig dieser Empfehlung auf 0,5% festzusetzen.

Die BVG-Expertenkommission gibt von Gesetzes wegen jährlich eine Empfehlung zur Höhe des Mindestzinssatzes an den Bundesrat ab. Dafür muss sie die Rendite marktgängiger Anlagen, namentlich der Bundesobligationen, der Aktien, der Anleihen und der Immobilien berücksichtigen. Zudem hat sie weitere Kriterien in ihre Abwägungen einzubeziehen, wie etwa die finanzielle Situation der Vorsorgeeinrichtungen, die Teuerung oder die Tragbarkeit des Mindestzinssatzes für die BVG-Minimalkassen und die Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen. Die Kommission orientiert sich dabei an einer Formel, die diese Kriterien abbilden soll. Bisher gelang es ihr allerdings nicht, sich auf eine einzige Formel zu verständigen, seit Jahren herrscht Uneinigkeit bezüglich der «richtigen» Formel. Erst letztes Jahr gab es eine Praxisänderung, gegen die sich auch der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) aussprach. Unabhängig des Formelstreits ist der Befund dieses Jahr aber eindeutig: Alle in den letzten Jahren verwendeten Formeln zeigen für das nächste Jahr einen Mindestzins von 0,5% an.

Umso erstaunlicher ist, dass die BVG-Kommission dennoch die Empfehlung von 1,0% abgibt. Denn es gibt keinen Spielraum, den Zinssatz über dem Ergebnis der Formeln anzusetzen. Nicht nur aufgrund der demografischen Alterung, sondern auch wegen den geopolitischen Unsicherheiten, der sich eintrübenden Konjunktur und den seit langem anhaltenden Negativzinsen, gerät die Altersvorsorge immer stärker unter Druck. Auch mit Blick auf die absehbare Entwicklung in den kommenden Monaten ist für die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge leider keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: es ziehen eher noch mehr schwarze Wolken am Horizont auf.

Trotzdem empfiehlt die Kommission einen überhöhten Zinssatz von 1,0%. Damit entlarvt sich die Kommission gleich selbst: Trotz der offensichtlich trüben Aussichten und einer absolut ausserordentlichen Zinssituation geht die Kommission nun mit ihrer Empfehlung sogar noch über diejenige des letzten Jahres von 0,75% hinaus. Statt ihrem Auftrag einer Expertenkommission gerecht zu werden, agiert sie unter wachsendem Druck zunehmend politisch.

Es zeigt sich immer deutlicher: Das Konzept der Verzinsung der Altersguthaben ist zu modernisieren.  Es wäre nämlich sachgerechter, die Kompetenz zur Festlegung der Verzinsung der Altersguthaben dem paritätisch – arbeitnehmer- und arbeitgeberseitig – zusammengesetzten obersten Organ der Vorsorgeeinrichtungen zu übertragen. Befürchtungen, die Verzinsungen könnten deshalb zu tief ausfallen, sind unbegründet: Kein Stiftungsrat hat ein Interesse daran, seinen Versicherten schlechtere Konditionen als nötig zu offerieren. Das zeigt sich auch daran, dass aktuell nur diejenigen Vorsorgeeinrichtungen den Mindestzins tatsächlich anwenden, die in einer schwierigen Situation sind. Alle anderen gewähren auch unter dem Regime des Mindestzinssatzes einen häufig sogar deutlich höheren Zins.

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