Längere Kündigungsfristen sind ein Bumerang

22. April 2016 Meinungen

Viel wird derzeit gesprochen und geschrieben über die Schwierigkeiten von Personen ab 50 auf dem Arbeitsmarkt. Ja, es gibt diese Fälle, wie sie in einschlägigen Medien gerne breitgetreten werden: Fälle älterer Menschen, die ihre Stelle verlieren beziehungsweise aufgeben und beim Jobwechsel Mühe bekunden. Auch wenn jeder Einzelfall einer zu viel ist: Diese Perspektive darf nicht die Richtschnur für vernünftiges politisches Handeln sein. Es braucht vielmehr eine Gesamtschau. Hierzu lohnt sich ein Blick auf die Zahlen der neusten Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung. Die Daten liefern eine deutliche Diagnose: Praktisch bei allen Indikatoren zu älteren Arbeitskräften kann sich die Schweizer Wirtschaft mit den besten der Welt messen.

Dennoch hat der Schweizerische Arbeitgeberverband selber den Puls fühlen und im Dialog – sei es in persönlichen Gesprächen oder an Veranstaltungen – nachvollziehen wollen, wie die Arbeitgeber mit ihren älteren Mitarbeitenden umgehen. Dazu hat er im vergangenen Jahr rund 30 Interviews vorwiegend mit Vertretern von KMU und Familienunternehmen geführt. Diese Erfahrungsberichte erlauben zwar keine repräsentativen Schlüsse, zeigen aber doch eine klare Tendenz auf.

Generell hat die grosse Mehrheit der befragten Unternehmer ein unproblematisches Verhältnis zu ihren älteren Mitarbeitenden. Sie sind ein fester und geschätzter Bestandteil der Belegschaft. Und es steht grundsätzlich ausser Frage, dass sie bis zur Pensionierung oder allenfalls sogar länger beschäftigt werden. Wenn im konkreten Fall altersbedingte Anpassungen nötig werden, finden die Arbeitgeber entsprechende Lösungen individuell und situativ.

Die Senioritätsentlohnung darf nicht mehr länger tabuisiert werden.

Wie sich aus den Gesprächen ebenfalls ableiten lässt, haben allfällige Probleme mit älteren Beschäftigten ihren Ursprung häufig in der Führung durch die Vorgesetzten oder im Verhalten der Mitarbeitenden. Zwar werden meist regelmässig standardisierte Mitarbeitergespräche durchgeführt, doch fehlt es dabei zuweilen an einer ehrlichen und realistischen Beurteilung beiderseits. So werden Leistungsdefizite nicht offen angesprochen und deshalb keine korrigierenden Massnahmen eingeleitet, beispielsweise auch in Form von Weiterbildungen. Solche Versäumnisse können sich über die Jahre hinweg akkumulieren, bis irgendwann – im schlimmsten Fall wenige Jahre vor der Pensionierung – der Mitarbeitende für den Betrieb nicht länger haltbar ist. Nicht mehr länger tabuisiert werden dürfen schliesslich Fragen zur Senioritätsentlohnung: Bogenkarrieren mit abnehmender Verantwortung und entsprechend sinkendem Lohn zum Ende eines Berufslebens müssen als realistische und nachhaltige Karrieremodelle erkannt werden.

Verkehrt ist dagegen ein ausgebauter Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmende, wie ihn die Gewerkschaften derzeit gerne ins Spiel bringen würden. Solche Eingriffe werden zu einem regelrechten Bumerang, denn sie wirken sich genau für jene Gruppe von Arbeitnehmenden nachteilig aus, die sie zu schützen vorgeben. Das wird anschaulich in Branchen, in denen ein Kündigungsschutz in Gesamtarbeitsverträge hineingeschrieben worden ist. Durch den «Schutz» riskieren Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichen Leistungen just vor Erreichen des Alters, ab dem eine längere Kündigungsfrist vorgesehen ist, den Verlust ihrer Stelle. Wohin solche Verkrustungen letztlich führen können, zeigt sich in anderen Ländern: In der Eurozone hat der fast unkündbare Status jener, die bereits eine Stelle haben, die Jugendarbeitslosigkeit auf eine erschreckende Höhe getrieben.