Gezielt helfen, wo der Schuh drückt

9. Mai 2019 Medienbeiträge

Die Arbeitsmarktsituation älterer Mitarbeiter ist insgesamt gut. Trotzdem sollen mit besserer Prävention das Risiko eines Jobverlusts gesenkt und mit verstärkter Vermittlung die Wiedereingliederung verbessert werden.

Ohne Arbeit zu sein, ist hart. Besonders bitter ist es für ältere Menschen, nach vielen Jahren erfolgreicher Berufspraxis ohne Perspektive zu sein. Denn Arbeit zu haben, bedeutet nicht nur Einkommen zu generieren, sondern auch Teilhabe und Wertschätzung. Dabei zeigt die Statistik ein positives Bild: Zwischen 2010 und 2018 stieg die Zahl der Erwerbstätigen in der Schweiz um unglaubliche 13 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die Arbeitslosenquote von 3,5 auf 2,5 Prozent. Bei den Ü50ern liegt die Quote mit 2,4 Prozent sogar noch leicht tiefer. Das Risiko, von Sozialhilfe abhängig zu werden, ist in dieser Alterskategorie ebenfalls kleiner als bei Jüngeren.

Dennoch ist Bundesrat Parmelin beizupflichten, wenn er an der kürzlich abgehaltenen fünften nationalen Konferenz zum Thema ältere Arbeitnehmende meinte: «Statistik ist das Eine, das persönliche Schicksal das Andere.» Denn trotz der erfreulichen Entwicklungen im Arbeitsmarkt bleibt ein Wermutstropfen: Wer in fortgeschrittenem Alter die Stelle verliert, braucht deutlich länger, um wieder eine Beschäftigung zu finden. Auch das Risiko, ausgesteuert zu werden, wird mit zunehmendem Alter grösser.

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) lancierte deshalb einen provokativen Vorschlag: Wer nach dem 55. Altersjahrs ausgesteuert wird, soll bis zum Pensionsalter über Ergänzungsleistungen finanziell vergleichsweise gut abgesichert werden. Damit überspannt die SKOS angesichts der Faktenlage den Bogen deutlich. Selbst von den in der Arbeitslosenversicherung Ausgesteuerten findet eine beachtliche Zahl Betroffener in den ersten sechs Monaten wieder einen Job. In einem Punkt gibt der Schweizerische Arbeitgeberverband der SKOS allerdings recht: Sowohl die Prävention als auch die Vermittlung müssen verbessert werden.

Entscheidend ist es, dort gezielt und rasch anzusetzen, wo der Schuh drückt. Primär muss die Prävention gestärkt werden. Nötig ist ein flächendeckendes Angebot für Standortbestimmungen der Mitarbeitenden bereits vor Erreichen des 50. Altersjahrs. Das verlangt nach Eigenverantwortung, aber auch nach mehr Unterstützung vonseiten der Arbeitgeber.

Verliert jemand trotzdem seine Stelle, braucht es zwingend eine sofortige Beurteilung der Arbeitsmarktfähigkeit. Es gilt zu klären, ob jemand ohne Weiteres vermittelbar ist oder ob Gegebenheiten wie gesundheitliche Einschränkungen oder Bildungsdefizite vorhanden sind, die nach einer intensiveren Begleitung verlangen. Die heutigen Ressourcen der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV sind aber bereits für die Prüfung der komplexeren Lebensläufe älterer Fachkräfte zu knapp.

Der Kanton Schaffhausen verfolgt derweil ein spannendes Projekt: Wer sich trotz Aussteuerung im höheren Erwerbsalter und bescheidenen finanziellen Mitteln weiterhin um eine Anstellung bemüht, profitiert nicht nur von einer finanziellen Besserstellung im Vergleich zur Sozialhilfe, sondern auch von einer intensiven Begleitung.

Eine kleine Gruppe Betroffener verdient unsere besondere Aufmerksamkeit: Menschen, die nach Erreichen des 58. Lebensjahrs die Stelle verlieren, das Leben lang hart gearbeitet haben, ohne fürstlich zu verdienen, und trotz intensiver Bemühungen keine Stelle mehr finden. Sie drohen zwischen Stuhl und Bank zu fallen, weil ihnen nach der Aussteuerung mit über 60 ein paar Monate bis zur Möglichkeit des Vorbezugs der AHV und des Bezugs von Ergänzungsleistungen fehlen. Es ist sinnvoll, darüber nachzudenken, ob für diese Menschen ein Weg gefunden werden kann, der ihnen ohne Sozialhilfebezug den Übergang in ein Alter in Würde ermöglicht. Getreu dem Motto: Gezielt und schnell helfen, wo der Schuh drückt.

Der Artikel von Martin Kaiser ist in den «Schaffhauser Nachrichten» erschienen.