Landauf, landab soll am diesjährigen 1. Mai für das in der Verfassung verankerte Grundrecht «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit» demonstriert werden. Mit der stets gleichen fragwürdigen Behauptung empören sich die Gewerkschaften, die Schweiz sei immer noch weit davon entfernt, diesen Grundsatz zu erfüllen: Wenn mit der heute gängigen Methode zur Messung von Lohngleichheit nicht sämtliche Differenzen zwischen den Frauen- und den Männerlöhnen erklärt werden können, ist nach gewerkschaftlicher Lesart erwiesen, dass es sich bei diesen Differenzen um Diskriminierung handeln muss.
Dass sich mit dieser unseriösen Art der Stimmungsmache die Massen mobilisieren lassen, ist das eine. Dass aber offensichtlich unseren Bundespolitikern zunehmend der Wille abgeht, den wahren Gründen für die noch bestehenden Lohnunterschiede auf die Spur zu kommen, muss doch bedenklich stimmen. Diesen Eindruck erhält, wer die Diskussion im Parlament über die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung der Unternehmen zu Lohnkontrollen verfolgt: Statt sich unvoreingenommen mit den Grundlagen ihres Entscheids auseinanderzusetzen, scheinen die Volksvertreter lieber dem Geschrei um «Lohndiskriminierung» mit einer ungerechtfertigten und obendrauf unwirksamen Regulierung ein möglichst baldiges Ende setzen zu wollen.
Just in dem Moment nimmt nun aber die Wissenschaft den Ball auf und schaltet sich in die fehlgeleitete Diskussion ein: Arbeitsmarktökonom George Sheldon erklärt allgemeinverständlich, weshalb die hierzulande verwendete Standardmethode zur Untersuchung der Ursachen von Lohnunterschieden nur unzureichend imstande ist, Lohndiskriminierung nachzuweisen. Die Methode berücksichtigt lediglich fünf Faktoren, die Lohnunterschiede erklären können. Eine ganze Reihe weiterer lohnrelevanter Erklärungsgrössen lässt sie jedoch ausser Acht. Je mehr solche Faktoren nun aber einbezogen werden, desto geringer fällt der Teil potenziell diskriminierender Lohnunterschiede aus. In ausländischen Studien ist auf diese Weise eine Diskriminierung bei Lohnunterschieden ganz ausgeschlossen worden.
Angesichts solch ausgeklügelter Forschung sind die methodischen Grundlagen unzulänglich, auf die sich die Schweizer Politik in der Lohngleichheitsdiskussion stützt. Was Sheldon deshalb fordert, betont der Schweizerische Arbeitgeberverband schon seit Jahren: Statt mit ungeeigneten Lohnkontrollen die Symptome – sprich Lohnunterschiede – zu bekämpfen, braucht es wirksame Korrekturen bei den Ursachen. So haben Frauen auch deshalb Lohnrückstände, weil sie häufiger als Männer Erwerbsunterbrüche aufweisen. Die Politik ist gut beraten, diesen Missstand mit Tagesstrukturen an den Schulen und einem besseren Angebot bezahlbarer Kinderbetreuung zu beheben. Die Arbeitgeber tragen etwa mit flexiblen Arbeitsformen das ihre dazu bei, dass Frauen verstärkt erwerbstätig sein können.
Statt mit ungeeigneten Lohnkontrollen die Symptome – sprich Lohnunterschiede – zu bekämpfen, braucht es wirksame Korrekturen bei den Ursachen.
Wem die Chancengleichheit in der Arbeitswelt wirklich ein Anliegen ist, der setzt sich für Rahmenbedingungen ein, die es Frauen genauso wie Männern ermöglichen, am Erwerbsleben teilzunehmen. Blosser Polemik und Stimmungsmache hingegen hängt der fahle Beigeschmack an, dass es den Protagonisten weniger um die Sache als mehr um ihre eigene Profilierung geht.