Nach Ansicht des Ständerats könnte die Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta (ESC) zu einer stärkeren Regulierung unseres Arbeitsmarkts und zu einem Ausbau der Sozialleistungen führen – ein unkalkulierbares Risiko: Die auf 31 Artikeln basierende Charta zielt darauf ab, mittels Reglementierung die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Vertragspartner zu harmonisieren. Dazu werden den Individuen Rechte in so unterschiedlichen Bereichen wie Arbeit, Gesundheit, soziale Sicherheit, Bildung und Wohnen zugestanden.
Die Ständeräte kritisieren auch die zögerliche Haltung des Bundesrats. Dieser veröffentlichte im Juli 2014 einen Bericht, der aus juristischer Sicht zum Schluss kommt, dass die Schweiz die Minimalanforderungen zur Unterzeichnung der ESC erfüllen könne. Mit anderen Worten: Die Schweiz könne sechs der neun Kernartikel der ESC akzeptieren. Seit der Veröffentlichung dieses Berichts hat der Bundesrat zur Frage der Ratifizierung jedoch geschwiegen.
Im schwierigen Umfeld, in dem sich die Schweizer Wirtschaft momentan befindet, würde man erwarten, dass sich die «sieben Weisen» mit klaren Worten gegen die ESC äussern. Eine Ratifizierung der Charta würde keinen Mehrwert für die Schweiz bringen. Die dort verankerten Rechte sind dynamisch und Gegenstand einer weitreichenden Auslegung durch die Organe des Europarats. Es besteht die Gefahr, dass eine Handvoll Experten der Schweiz ihre Ansichten aufzwingen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wo die Schweiz mühsam die Masseneinwanderungs-Initiative umzusetzen versucht, wäre es nicht angebracht, eine Einmischung des Europarats in unseren Arbeitsmarkt zuzulassen.