Stabwechsel in Bundesbern

1. Dezember 2011 Meinungen

Das neue Parlament ist gewählt. Was bedeuten die neuen politischen Konstellationen in Bundesbern aus Arbeitgebersicht? Erste Erkenntnisse und Einschätzungen zur kommenden Legislatur.

Die Schweizerinnen und Schweizer haben gewählt. Sie haben jene Parlamentarier und Parlamentarierinnen bestimmt, die in den nächsten vier Jahren unter der Bundeshauskuppel das Sagen haben werden. Aus Sicht der Parteien kann man eine erste Bilanz ziehen. Die SVP verliert an Wähleranteilen und Mandaten, bleibt aber klar die stärkste Partei. Ebenfalls zu den Verlierern zählen die Grünen, die FDP-Liberalen und die CVP, wogegen die SP trotz rückläufigem Wähleranteil Sitze hinzugewinnt. Klare Gewinner sind die Grünliberalen sowie die BDP.

Obwohl der Schweizerische Arbeitgeberverband keine Parteipolitik macht und seine Ziele unabhängig, gemäss einer eigenen Strategie verfolgt, muss ihn die neue Zusammensetzung des Parlaments interessieren. Sie bestimmt wesentlich das Umfeld, in dem er die Anliegen der Arbeitgeber zu vertreten hat. Wird es in der kommenden Legislatur einfacher oder schwieriger werden, die arbeitgeberpolitischen Ziele zu erreichen?

Baustelle Sozialversicherungen
Für die vergangenen vier Jahre fällt das Arbeitgeber-Zeugnis für das Parlament ambivalent aus. Während es erfreulicherweise zahlreiche Vorstösse für zusätzliche Arbeitsmarktregulierungen ablehnte, kam es mit den sozialpolitischen Reformen nur mühsam voran. Die Fortschritte bei der Sanierung der IV und die erfolgreiche Revision der Arbeitslosenversicherung werden vom zweimaligen Scheitern der 11. AHV-Revision, vom Auflaufen der UVGRevision und von der unendlichen Leidensgeschichte der KVG-Revisionen überschattet.

Zählt man noch das Volks-Nein zur Anpassung des BVG-Mindestumwandlungssatzes hinzu, so übergibt das alte Parlament dem neuen eine lange Agenda pendenter Sozialversicherungsprobleme. Und: Auf die demografischen Herausforderungen müssen dringend die richtigen Antworten gefunden werden.

Stärkung der Mitte lässt hoffen
Im politischen Spektrum des Parlaments haben die Wahlen eine Schwächung der Pole und eine Stärkung der Mitte gebracht. Das lässt hoffen, dass ideologische Blockaden und unheilige Allianzen weniger häufig sein werden als während der letzten Legislatur. Gleichzeitig verteilen sich die Mitte-Mandate aber auf mehr Parteien, und die Profile von BDP und GLP sind gerade in den arbeitgeberpolitisch relevanten Bereichen noch nicht klar erkennbar.

Das lässt befürchten, dass die Mehrheitsverhältnisse unberechenbarer werden. Ob sich die Bedingungen für eine wachstumsorientierte Arbeitsmarktpolitik und eine reformbereite Sozialpolitik in den neuen Räten verbessert haben, ist deshalb noch schwer abschätzbar. Umso wichtiger wird es sein, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier für die arbeitgeberpolitischen Themen zu sensibilisieren und sie von unseren Lösungsansätzen zu überzeugen.

Dabei ist zu bedenken, dass in unserer direkten Demokratie der Souverän dem Parlament die politischen Entscheidungsbefugnisse nur unter Vorbehalt überträgt. In allen wichtigen Fragen behalten die Stimmberechtigten das letzte Wort, und auch künftig werden sie mit Referenden und Initiativen ins politische Geschehen eingreifen. Wir müssen uns also bewusst sein: In «Bundesbern» hat zwar ein Stabwechsel stattgefunden, aber der Dirigierstab für die Politik liegt weiterhin in den Händen des Volkes.