Herr Bachmann, Sie beschäftigen sich während eines Grossteils ihres Lebens mit der Altersvorsorge. Was ist für Sie eine ideale Altersvorsorge?
Josef Bachmann: Die ideale Altersvorsorge ist das Schweizer Dreisäulenkonzept, wir brauchen nichts Neues. Erste und zweite Säule ergänzen sich genial. Aber beide Systeme sind an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Lebenserwartung und Rücktrittsalter müssen dringend korrespondieren, und die Umverteilung ist ein giftiger Fremdkörper in der beruflichen Vorsorge.
Und das wollen sie mit Ihrer Initiative ändern?
Ja, ich möchte die berufliche Vorsorge erneuern. Mein Vorschlag: Stellen wir unsere Altersvorsorge neu auf drei Fundamente. Erstens: Es braucht mehr Geld. Aber um ein Fass ohne Boden zu verhindern, müssen gleichzeitig die Systemfehler korrigiert werden. Das heisst zweitens, dass wir ein variables, frei wählbares Pensionierungsalter brauchen. Die Betroffen wählen, ob sie länger arbeiten und höhere Renten wollen oder mehr Freizeit bei kleinerem Einkommen. Und drittens müssen die Renten der zweiten Säule dynamisch werden. Die Rahmenbedingungen «Lebenserwartung» und «Kapitalerträge» können wir nicht beeinflussen. Deshalb braucht es neu permanente, moderate Anpassungen der Leistungen an die Realität. Das hat als Nebenwirkung den Vorteil, dass tendenziell eine Anpassung an die Teuerung erfolgt. Auch laufende Renten sollten mit dem neuen Modell moderat angepasst werden können. Das ermöglicht es, die Last tragbar auf viele Schultern zu verteilen. Die Differenz zwischen den hohen Renten der Altrentner und deutlich tieferen der Jungrentner wird dadurch nicht verhindert, aber reduziert. Die Initiative stellt eine allgemeine Anregung dar. Die genauen Einzelheiten werden in der Abstimmungsvorlage des Parlaments festgelegt.
Was würde sich für die Arbeitgeber konkret ändern?
Das flexible Pensionierungsalter bringt für die Arbeitgeber Vorteile. Erfahrene, wertvolle Mitarbeiter bleiben länger im Arbeitsprozess. Es braucht aber von beiden Seiten positive Signale: Die Arbeitnehmer sollen zeigen, dass sie auch im fortgeschrittenen Alter dank Weiterbildung und Motivation attraktiv bleiben – auch in reduzierten Arbeitspensen. Die Arbeitgeber müssen hingegen klar Stellung beziehen und zeigen, dass sie ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess behalten wollen. Wichtig ist, dass das Risiko für die Arbeitgeber wesentlich kleiner wird, hohe Sanierungsbeiträge zahlen zu müssen. Dafür erwarte ich tosenden Applaus (lacht).
Wie schätzen Sie die Chancen Ihrer Initiative ein?
Wichtig ist es, überhaupt über diesen Schritt zu reden. Das Festklammern am «Rücktrittsalter von 1948» ist Gift für eine nachhaltige Reform unserer Altersvorsorge. Das schönste Kompliment habe ich von einem Gewerkschafter erhalten. Am Ende eines Vortrags sagte er: «Sie haben schon recht, aber ihr Vorschlag ist nicht mehrheitsfähig. » Das heisst doch: Der Weg stimmt, jetzt musst du ihn «nur» noch den Stimmbürgern erklären. Ob die Initiative durchkommen wird, ist schwierig zu sagen.
Sie reisen durch die ganze Schweiz und machen sich stark für eine von Ihnen als fair bezeichnete Vorsorge. Woher nehmen Sie Ihre Motivation?
Ich habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ausserdem hatte ich die einmalige Chance, bei PwC ein neues Modell mit variablen Renten zu implementieren. Das heisst, dass ich mit Überzeugung eine praxiserprobte eigene Idee vorstellen kann. Und ich habe Kinder. Sie sollen in den Genuss einer fairen Altersvorsorge kommen. Ausserdem bringt mich das Thema mit faszinierenden Menschen zusammen.