Altersvorsorge: die Mogelpackung «Gesamtpäckli»

12. Mai 2014 Meinungen

Die Gewerkschaften wollen ein Gesamtpäckli für die Reform der Altersvorsorge und unterstützen den Bundesrat. Fragt sich nur: Was steckt drin?

Es ist schon fast ein Ritual: Kaum läuft ein Vernehmlassungsverfahren ab, ziehen die Medien Bilanz. Das gilt auch für die Reform der Altersvorsorge. Später folgt noch der Bundesrat mit einem Auswertungsbericht. Eigentlich könnte man sich diesen sparen. Stellvertretend verkündete die SDA: Es gibt zwei Lager: Erstens die Bundesrats-Treuen, allen voran der Gewerkschaftsbund. Sie unterstützen das von Bundesrat Berset proklamierte Gesamtpäckli – nach der Devise «alles oder nichts». Daran führe kein Weg vorbei. Auf der andern Seite sind die Bundesrats-Kritiker, die ein Vorgehen mit verdaubaren Portionen und klaren Prioritäten fordern. An vorderster Stelle der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV). Und schon ist das klassische schwarz-weisse Bild gemalt. Fragt sich nur: cui bono?

Die Fakten sind klar. Wer auch in Zukunft sichere Renten will, muss jetzt handeln. Klar ist das wohl auch den Chefs der Gewerkschaften, ob sie es öffentlich zugeben mögen oder nicht. Da kommt das Bekenntnis zu einem Gesamtpäckli gerade recht. Bloss: Was steckt eigentlich drin, in diesem Gesamtpäckli, das schon aufgrund des Begriffs die Assoziation mit Weihnachten weckt und Kinderaugen strahlen lässt? Wenig bis nichts. Auf jeden Fall nichts, das brauchbare Antworten auf die Herausforderungen bietet. Ein Plädoyer für höhere AHV-Renten (man muss ja die eigene Volksinitiative bewirtschaften) – und ein Nein zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Ich sehe förmlich, wie die strahlenden Kinderaugen vor dem Weihnachtsbaum verblassen. Weil im grossen Paket nur ein kleineres steckt – ohne Inhalt. Am Schluss bleibt die grosse Enttäuschung. Ähnlich könnte es der Schweiz mit dem Gesamtpäckli zur Reform der Altersvorsorge gehen, wenn in ein paar Jahren fast oder gar nichts übrig bleibt.

Auch der Gewerkschaftsbund hat sich einmal mehr für das klassische Muster entschieden, nach der Devise «Lehnen wir erst mal alles ab, was uns prima vista nicht passt, und stellen wir unsere Maximalforderungen». Es sei nicht verschwiegen, dass es auch im rechten Spektrum und in der Wirtschaft noch Kreise gibt, die sich ihrerseits dieses Modells bedienen. Der Ansatz basiert auf der Idee, das Parlament sei in der Lage, bei der Beratung sinnvolle Kompromisse herbeizuführen. Vielleicht funktionierte das früher dank besonnenen Akteuren auf beiden Seiten. Nur sind die immer wieder zitierten Beispiele wie die 10. AHV-Revision lange her. Seither hat sich die Politik verändert. Seit Jahren versandet Vorlage um Vorlage, und dies nicht nur im Bereich der komplexen Sozialversicherungen.

Es ist höchste Zeit, dass sich Dachorganisationen ihrer Verantwortung und den veränderten Rahmenbedingungen stellen. Der SAV hat dies getan. Er schluckt die Kröte und legt eine kompromissfähige Lösung vor. Bleibt zu hoffen, dass sich das nötige Verantwortungsbewusstsein unter allen Sozialpartnern durchsetzt. Dann könnte der Bundesrat den entsprechenden Steilpass aufnehmen und die Botschaft so präsentieren, dass die Reform eine echte Chance hat. Viel Zeit bleibt jedoch nicht. Als Modell könnte immerhin das Beispiel der UVG-Revision dienen – mit dem zustande gekommenen Sozialpartner-Kompromiss. Allerdings erfolgte die Einsicht erst nach zehn Jahren zumeist vergeblicher Arbeit. So viel Zeit hat die Altersvorsorge nicht.