Keine Weiterentwicklung ohne Fakten

29. Juni 2018 Medienbeiträge

Mehr denn je müssen die Arbeitgeber als wichtige Akteure auf einer faktenbasierten Bildungspolitik bestehen. Sonst wird die Weiterentwicklung zur Lotterie.

Wer sich mit der Digitalisierung, der Fachkräftethematik oder mit der Integration verschiedener Bevölkerungsgruppen ins Erwerbsleben befasst, stösst unweigerlich auf Bildungsthemen. So stehen Arbeitsmarkt und Bildungssystem über die Nachfrage nach kompetenten Fachkräften in Kontakt zueinander. Eine Besonderheit des Schweizer Berufsbildungssystems liegt darin, dass die Arbeitgeber darin systematisch eingebunden sind, und zwar weit mehr als in Systemen anderer Länder. Zu nennen sind die grosse Bedeutung der betrieblich organisierten Berufslehre, der Einfluss der Verbände auf die Bildungsinhalte, das hohe finanzielle Engagement sowie die freiwillige Bereitstellung der dazu nötigen Verbandsstruktur, inklusive entsprechender Milizarbeit. Dieses milliardenschwere Engagement der Wirtschaft für die Berufsbildung führt zum guten Leistungsausweis unseres gesamten Bildungswesens.

Natürlich besteht der Wunsch nach Verbesserungen und Weiterentwicklung. Die Rahmenbedingungen ändern sich, und die gegenwärtigen Herausforderungen führen zu einer gewissen Verunsicherung. Aus Arbeitgebersicht gilt es sicherzustellen, dass das Bildungssystem für die Zukunft gerüstet ist. Aus- und Weiterbildung sollen dazu beitragen, die Chancen der digitalen Wirtschaft zu nutzen, aber auch rasche Veränderungen oder gar Umbrüche auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen. Mehrere Aktivitäten tragen zu diesen Zielsetzungen bei: Zu erwähnen sind etwa die Überlegungen von Bund, Kantonen und Sozialpartnern zur «Berufsbildung 2030», die Berichte der Landesregierung zur Digitalisierung und Bildung oder die Arbeiten von Verbänden, mit denen die berufliche Mobilität der Erwerbstätigen für Berufs- und Branchenwechsel verbessert werden soll.

Bildungsbericht als Basis
Eine faktenbasierte Bildungspolitik ist unabdingbar, um den Vorstellungen der Arbeitgeber von einer langfristig ausgelegten, effektiven, effizienten und chancengerechten Bildungspolitik gerecht zu werden. Diese Forderung gründet auch auf der Erfahrung, dass sich im laufenden Politbetrieb nur wenige mit Systemzusammenhängen, tatsächlichen Resultaten und dem gezielten Mitteleinsatz für Bildung auseinandersetzen. Entsprechend lautet ein Leitsatz des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes: «Die Erkenntnisse aus dem Prozess des Bildungsmonitorings Schweiz sowie der entsprechenden Bildungsberichte sind zu nutzen und in die Weiterentwicklung des Systems und in den Bildungsalltag einfliessen zu lassen.»

Der nationale Bildungsbericht 2018 erscheint also zur richtigen Zeit. Er wird dazu beitragen, erst einmal zu begreifen, wie das (Berufs-)Bildungswesen funktioniert, welche Eigenschaften es erfolgreich machen, aber auch mögliche Dysfunktionen zu orten. Kritiker sprechen daher vom Blick in den «Rückspiegel». Ihnen ist entgegenzuhalten, dass der Bildungsbericht das Fundament für die künftigen Arbeiten sein muss. Ohne ein solches Fundament würde Weiterentwicklung zur Lotterie mit ungewissem Ausgang.

Der Artikel von Jürg Zellweger ist in der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» erschienen.