Fataler Vertrauensbruch

1. März 2013 Meinungen

Die Mehrheit im Parlament gefährdet die konsequente Sanierung der Invalidenversicherung. Mit der Absage an die ursprünglichen Sparziele setzt sie auch ein verheerendes Signal.

Nach dem Nationalrat hat sich auch die ständerätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-S) für die Aufteilung der IV-Revision 6b ausgesprochen. Die Kürzung der Kinderrenten (die eigentlich Zulagen für invalide Eltern sind) sowie die Anpassung der Reisekosten sollen zurückgestellt und erst wieder aufgenommen werden, wenn sich der IV-Haushalt schlechter als die (zweckoptimistischen) Annahmen entwickelt. Die beiden Räte reduzierten zudem das Sparvolumen der bundesrätlichen Vorlage mit weiteren Änderungen so, dass von 325 Millionen Franken in der Botschaft noch etwa 150 Millionen in der Version des Ständerats und 40 Millionen gemäss Nationalrat übrig blieben.

Mit diesen Beschlüssen verabschiedet sich das Parlament vom ursprünglichen Plan für die Sanierung der IV. Vorgesehen war ein mehrstufiger Prozess, der mit der 4. Revision begann, in den Revisionen 5 und 6a auf die Integration fokussierte und mit den Sparmassnahmen der Revision 6b abgeschlossen werden sollte. Eine wichtige Rolle spielte in diesem Ablauf die befristete Zusatzfinanzierung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Anlässlich der Abstimmung über die benötigte Erhöhung der Mehrwertsteuer wurde den Stimmberechtigten versichert, dass die Sanierung der IV mit Integrations- und Sparmassnahmen konsequent zu Ende geführt wird. Konkret sollen bis Ende 2017 die IV-Rechnung ohne Sonderfinanzierung ausgeglichen und zwischen 2025 und 2028 die Schuld der IV gegenüber dem AHV-Fonds getilgt werden.

Prinzip Hoffnung statt Absicherung
Davon will nun eine Mitte-Links-Allianz im Parlament nichts mehr wissen. Statt die Erreichung des deklarierten Sanierungsziels mit Sparmassnahmen hieb- und stichfest abzusichern, setzt sie auf das Prinzip Hoffnung. Sie macht sich die vom Bundesamt für Sozialversicherungen vorgelegten Finanzperspektiven zu eigen, wonach sich die Sanierungsziele auch ohne die im Vorlagen-Splitting ausgeschiedenen Sparmassnahmen erreichen lassen. Dass diese Finanzperspektiven mit erheblichen Risiken verbunden sind (tiefere Zuwanderung, schlechtere Wirtschaftsentwicklung, Verfehlen der Integrationsziele der IV-Revision 6a u.a.), die mit entsprechenden «Puffern» abgesichert werden müssten, wird ausgeblendet. Es kann auch niemand plausibel erklären, weshalb 150 Millionen Franken Einsparungen genügen sollen, nachdem in der Vernehmlassung noch 700 Millionen anvisiert wurden.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband, der sich seinerzeit für die Zusatzfinanzierung eingesetzt hatte, betrachtet das Vorgehen der parlamentarischen Mehrheit als Vertrauensbruch. Wenn man die angeblich bessere Entwicklung der IV-Rechnung ohne Gefährdung des Sanierungsziels berücksichtigen will, führt der ehrliche und konsequente Weg über den vorbehaltenen Beschluss aller Sparmassnahmen und deren gestaffelte Inkraftsetzung je nach der finanziellen Entwicklung der IV. Die Abkoppelung der Sparmassnahmen und der Vorbehalt späterer Nachbesserungen, deren politische Realisierung keinesfalls gewährleistet ist, sind mit dem seinerzeit versprochenen sicheren Sanierungsprozess nicht vereinbar. Sollte es dabei bleiben, ist nicht nur die IV-Revision gefährdet. Das Parlament würde darüber hinaus für künftige Sozialversicherungs-Reformen das verheerende Signal setzen, dass man sich auf Sparzusagen in einem etappierten Revisionsprozess nicht verlassen kann.