Weidmanns Stich ins Wespennest

29. September 2014 Meinungen

Der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, hat mit seiner Forderung nach Lohnerhöhungen Arbeitgeber und Gewerkschaften aufgeschreckt. Was steckt dahinter?

Man rieb sich verwundert die Augen, als Jens Weidmann Ende Juli die Meinung vertrat, eine Lohnerhöhung in Deutschland von drei Prozent sei zu begrüssen. Nun, Jens Weidmann ist nicht irgendwer. Auch ist er kein Gewerkschafter. Weidmann ist Chef der Deutschen Bundesbank und Mitglied des EZB-Rates. Unter europäischen Notenbankern zählt er zu den sogenannten «Falken». Jenen wenigen, die sich mit Vehemenz gegen die doch unorthodoxen Massnahmen Mario Draghis stemmen. Ein Mahner, der befürchtet, dass die EZB durch eine monetäre Staatsfinanzierung zum politischen Spielball werden könnte.

Dieser Jens Weidmann mischt sich nun also selbst in die Politik ein. Ein Novum. Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. Arbeitgeber und Gewerkschafter waren sich für einmal einig: Man verbittet sich solch eine Einmischung. Von einem «gefährlichen Ratschlag aus Frankfurt» war die Rede. Tarifverhandlungen seien Sache der Sozialpartnerschaft. Auch wenn Weidmann später seine Aussage relativierte: Sein Statement war platziert.

Weit interessanter als die Reaktionen aus der Politik waren in der Folge aber die Mutmassungen der Auguren, weshalb Weidmann diese Aussage getätigt hatte. Sicherlich, Weidmann wäre nicht der erste Notenbanker, der ins Plaudern gerät. Erinnern wir uns an Philipp Hildebrand, der vor rund drei Jahren darauf aufmerksam machte, man müsse die Sozialsysteme überdenken, wolle man die Schuldenberge abbauen. Passen würde auch, dass Weidmann eine politische Vergangenheit hat, war er doch fünf Jahre politischer Berater unter Angela Merkel. Doch viele glauben nicht, dass das der Grund ist. Vielmehr gehen sie davon aus, dass mehr dahinter steckt. So setzt sich nun die Erklärung durch, dass Weidmann auf diesem Wege angedachte Massnahmen der EZB verhindern will. Diese spielt mit dem Gedanken, europäischen Banken Kredite aus ihren Bilanzen abzukaufen. Für Weidmann ein «no go». Doch bleiben die Deflationsängste in Europa weiterhin gross, sind solche Handlungen nicht unwahrscheinlich.

Was also getan werden muss, ist, die Inflation anzukurbeln. Schnell. Ob diese Erklärung zutrifft oder nicht, weiss Weidmann wohl selbst am besten. Falls sie stimmt, wäre es eine bewusste Vermischung von Geldpolitik und Politik. «Whatever it takes»: Es waren diese Worte Draghis, die eine drastische Wende in der Euro-Rettung ein leiteten. Und eine Reihe unkonventioneller Massnahmen folgte. Heute gibt es nicht wenige Zweifler, die den Weg der EZB mit all ihren Massnahmen als den falschen betrachten. Weidmann ist einer von ihnen. Whatever it takes, könnte er sich nun selbst gesagt haben. Und was wir sahen, war der erste Versuch, auf unkonventionelle, politische Instrumente zur Durchsetzung der Geldpolitik zurück zugreifen. Quasi als Gegenreaktion zu Draghi.

Dies sind Mutmassungen. Vielleicht Phantastereien. Hoffen wir es. Denn die Politik ist ein schlechtes Tummelfeld für Notenbanker, die – zu Recht – nicht müde werden, ihre Unabhängigkeit von der Politik zu proklamieren. Die wankelmütige Politik ihrerseits ist als Instrument für Preisstabilität ungeeignet. Das gilt selbstverständlich auch in der Schweiz! Gehen wir davon aus, dass sich Weidmann einen Versprecher leistete – und dass nicht weitere folgen.