Lässt sich aus dem missratenen Kuhhandel ein tragfähiger Kompromiss machen?

31. Juli 2018 Meinungen

Anderthalb Jahre ist es her, seit das Stimmvolk die Unternehmenssteuerreform III abgelehnt hat. Um eine Neuauflage mehrheitsfähig zu machen, soll sie nun um ein «soziales Korrektiv» ergänzt werden. Dem Ständerat schwebt vor, die Steuervorlage 17 mit einem Element aus einer anderen an der Urne gescheiterten Vorlage zu verheiraten: der Zusatzfinanzierung für die AHV. Die Vermählung erfolgt getreu dem Motto «für jeden Steuerfranken gibt es einen Franken zusätzlich für die AHV». Wer sollte schon Einwände gegen dieses feierliche Versprechen haben?

Die Arbeitgeber für ihren Teil stehen solch einer Verknüpfung unverändert kritisch gegenüber. Aus ihrer Sicht ist eine Steuerreform zwar wichtig und dringlich, jedoch sollte die Vorlage inhaltlich für sich selbst überzeugen. Die Verknüpfung zweier grosser und zentraler Vorlagen ist aber auch deshalb problematisch, weil die Stimmbürger nicht separat darüber abstimmen und ihren Willen somit nicht klar zum Ausdruck bringen können. Das verletzt die Einheit der Materie, selbst wenn die Verbindung juristisch nicht verboten ist.

Der Ständerat sieht unter anderem eine Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,3 Prozentpunkte für die Finanzierung der AHV vor. Da diese Massnahme aber gerade auch Erwerbstätige mit tieferen Einkommen spürbar belastet, könnte sie in einer Referendumsabstimmung zum Bumerang werden. Gegner der Vorlage würden in einer Nein-Kampagne das schwer verdaubare Argument ins Feld führen, dass in Tat und Wahrheit die «Büezer» und die KMU den Preis für den sozialen Ausgleich für die SV17 bezahlen, von der sie jedoch nicht oder bestenfalls nur indirekt profitierten.

Vor allem aber erschweren Lohnbeiträge für die AHV die Suche nach einer Lösung der ebenso dringlichen Probleme im BVG. Die Sozialpartner sollen dem Bundesrat bis im Frühling 2019 eine Lösung unterbreiten. Weil die dringend notwendige Senkung des Mindestumwandlungssatzes angemessen zu kompensieren sein wird, sind Lohnbeiträge zwingend für das BVG zu reservieren. Gerade KMU sind auf eine rasche Senkung des Mindestumwandlungssatzes mit angemessener Kompensation angewiesen. Dies gilt nicht weniger für viele ihrer Mitarbeitenden mit tieferen Einkommen oder Teilzeitarbeit. Gerade für sie und ihre Altersvorsorge wird eine gute und zukunftsträchtige Lösung von grosser Bedeutung sein. Das Konzept des Ständerats würde derweil nicht nur exakt diese Gruppen tendenziell benachteiligen, sondern eine entsprechende Lösung im BVG massiv verzögern, wenn nicht sogar verhindern. Daran kann auch die Gewerkschaftsseite kein Interesse haben.

 

Soll aus der Zweckverbindung zwischen SV17 und AHV ein mehrheitsfähiger Kompromiss werden, dürfen Lohnbeiträge nicht Teil des Deals sein.

Soll aus der Zweckverbindung zwischen SV17 und AHV ein mehrheitsfähiger Kompromiss werden, dürfen Lohnbeiträge nicht Teil des Deals sein. Als alternative Massnahme, um den Wegfall von Lohnbeiträgen zu ersetzen, liesse sich der Bundesanteil noch etwas stärker erhöhen als vom Ständerat vorgesehen. Zusammen mit dem sogenannten Demografieprozent, das ebenfalls der AHV zugeführt würde, bewegt sich diese Massnahme innerhalb des Bundeshaushalts und kann im weitesten Sinne finanzpolitisch nachvollzogen werden. Vor allem aber ist sie solidarischer als die Lösung mit Lohnbeiträgen.

Um die Gegenfinanzierung der AHV richtig auszutarieren, ist es wichtig, die dynamischen Effekte der SV17 zu berücksichtigen. Sie belaufen sich gemäss Berechnungen des Bundesrats auf gut 650 Millionen Franken für die AHV und 168 Millionen Franken für den Bund per 2020. 650 Millionen Franken fliessen somit dank der SV17 direkt der AHV zu. Abzüglich dieser Summe gälte es, jährlich nur noch 1,3 Milliarden Franken zu finanzieren und nicht 2,1 Milliarden Franken, wie vom Ständerat irrtümlicherweise angenommen.

Realpolitisch dürfte es schwierig sein, die Verknüpfung zwischen SV17 und AHV noch einmal grundlegend auf den Kopf zu stellen. Sollte daher das Parlament an der Verknüpfung festhalten, wäre eine stärkere Erhöhung des Bundesbeitrags für die AHV klar die bessere Lösung als eine Erhöhung der Lohnbeiträge – nicht zuletzt auch mit Blick auf die drohende Referendumsabstimmung. Nicht auszudenken, wenn die SV17 wegen der Lohnbeiträge erneut an der Urne scheitern würde.

Nun hat es die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats in der Hand, aus dem vorerst missratenen Kuhhandel mithilfe der genannten alternativen Massnahmen doch noch einen tragfähigen Kompromiss zu machen. Eine mehrheitsfähige Lösung, die den Unternehmensstandort Schweiz stärkt, ohne gleichzeitig den Arbeits- und Werkplatz Schweiz zu schwächen sowie der KMU-Wirtschaft und den BVG-Versicherten zu schaden.