IAO-Übereinkommen gegen Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz

2. Juli 2018 News

5'300 Delegierte aus 187 Ländern kamen vom 28. Mai bis 8. Juni zur 107. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) in Genf zusammen. Die Diskussionen anlässlich der IAK 2018 drehten sich um zwei Themen von herausragender Bedeutung für die Arbeitgeber: Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt sowie sozialer Dialog.

Die Teilnehmenden der IAK 2018 haben Massnahmen zur Unterstützung des sozialen Dialogs verabschiedet. Dabei erinnerten sie daran, dass die Respektierung der Vereinigungsfreiheit und die Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen die Basis für den Erfolg des sozialen Dialogs bildeten. Zudem betonten sie, dass freie, unabhängige und repräsentative Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie das gegenseitige Vertrauen und die Respektierung der Autonomie der Sozialpartner unabdingbare Voraussetzungen für die Wirksamkeit des sozialen Dialogs darstellten.

Die Delegierten einigten sich ebenfalls darauf, bis 2019 ein Übereinkommen zu «Gewalt und Belästigung gegen Frauen und Männer in der Welt der Arbeit» zu verhandeln. Das Schlussdokument, das nach zehn Tagen erbittert geführter Debatten verabschiedet wurde, präzisiert, dass sich Gewalt und Belästigung auf jeden Akt beziehe, der physische, psychische, sexuelle oder wirtschaftliche Schäden verursacht oder verursachen könnte. Der Text fordert die Staaten dazu auf, in ihren Gesetzgebungen jede Form von Gewalt und Belästigung zu verbieten. Er legt Präventionsmassnahmen, Untersuchungen, Mechanismen zur Umsetzung und Überprüfung, Entschädigungen für die Opfer und ein Dispositiv gegen Verantwortliche fest.

Im Verlauf der IAK 2018 hat die Vertretung der Arbeitgeber ihr Engagement zur Erarbeitung eines effizienten Instrumentariums zur Bekämpfung von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz deutlich bekräftigt. Gleichzeitig haben die Arbeitgeber jedoch ihre Ablehnung gewisser Schlussfolgerungen des Schlussberichts zum Ausdruck gebracht. Es zeigt sich in der Tat, dass der vorgeschlagene Text in seiner jetzigen Form auf nationaler Ebene nicht umsetzbar ist. Die Kritik der Arbeitgeber bezieht sich auf drei Punkte:

  • Die Arbeitgeber haben unterschiedliche Definitionen der Begriffe «Gewalt» und «Belästigung» vorgeschlagen, da diesen Tatbereichen mit jeweils anderen Präventionsmassnahmen und juristischen Mitteln begegnet werden muss. Im Gegensatz dazu spricht die nach Abschluss der IAK 2018 verabschiedete Definition von einem «Spektrum an inakzeptablen Verhaltensweisen» und macht keinen wirklichen Unterschied bezüglich der Art und Weise, wie diesen zwei verschiedenen Arten von Fehlverhalten zu begegnen ist.
  • Desgleichen die weite Definition von «Arbeitnehmende» im Text, die jede arbeitende Person ungeachtet ihrer vertraglichen Situation umfasst, also auch entlassene, suspendierte oder arbeitslose Arbeitnehmende. Es scheint also, dass die Arbeitgeber die Kostenverantwortung für Vorkommnisse mit Personen übernehmen sollen, die sie nie getroffen haben – an Orten, die ausserhalb ihrer Reichweite liegen und unter Umständen, die sich ihrer Kontrolle entziehen.
  • Jeder und jede sollte vor Gewalt und Belästigung geschützt werden, egal ob Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder andere sich am Arbeitsplatz befindliche Personen. So, wie sich der ausgehandelte Text jetzt präsentiert, wäre aber jeder Staat, der dieses Übereinkommen ratifiziert, nicht dazu verpflichtet, die von Gewalt oder Belästigung betroffenen Arbeitgeber zu schützen, da sich die operationellen Bestimmungen nur auf «Arbeitnehmende» beziehen.

Trotz dieser problematischen Punkte bleiben die Arbeitgeber zuversichtlich: Ihrer Meinung nach ist es durchaus möglich, den vorgeschlagenen Text bis zur Annahme des Übereinkommens 2019 noch abzuändern, damit das Übel der Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz wirksam bekämpft werden kann.