Mit der Veröffentlichung der neusten Zahlen zu den Lohnunterschieden zwischen Frauen und Männern macht das Bundesamt für Statistik (BFS) einen kleinen Schritt hin zur Versachlichung der Diskussionen rund um dieses Thema: Es weist in seiner Medienmitteilung die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede nicht mehr als «Lohndiskriminierung» aus, wie dies bei der letzten Erhebung noch der Fall gewesen war. Vielmehr ist nun – wie dies der Schweizerische Arbeitgeberverband wiederholt gefordert hat – vom «unerklärten Anteil der Lohnunterschiede» die Rede.
Mehrere Studien haben in der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass die mit Daten aus der Lohnstrukturerhebung ermittelten Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern nicht als diskriminierend bezeichnet werden dürfen. Denn diese Differenzen können statt auf Diskriminierung ebenso gut auf begründeten und für die Lohnhöhe ausschlaggebenden Faktoren – wie beispielsweise der effektiven Berufserfahrung – beruhen, die mit der vom BFS angewandten Methode nicht erhoben werden. Dass der Bund diesem Umstand nun Rechnung trägt, ist erfreulich.
Der unerklärte Anteil am Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern beträgt gemäss neuster Erhebung 40,9 Prozent. Allerdings ist bei der Interpretation dieser Zahl grosse Vorsicht geboten. Aufgrund einer methodischen Änderung (vgl. methodische Hinweise am Ende der Medienmitteilung des BFS) bei der Auswertung ist sie nicht mit der letzten Erhebung vor zwei Jahren (37,6 Prozent) vergleichbar: Bisher mussten die Unternehmen Angaben zum Tätigkeitsbereich und zum Anforderungsniveau ihrer Arbeitsplätze machen. So stufte früher ein Unternehmen beispielsweise seine Rechtsanwältinnen und -anwälte mit der Tätigkeit «begutachten, beraten, beurkunden» sowie dem Anforderungsniveau «sehr selbständige, qualifizierte Arbeiten» ein. Anstelle dieser Einschätzungen werden neu der ausgeübte Beruf und das ihm zugewiesene Kompetenzniveau erfasst. Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwälte gehen also als «Juristen/innen» in die Erhebung ein. Problematisch ist, dass mit dieser Kategorisierung unterschiedliche Tätigkeiten und Anforderungen innerhalb einer Berufskategorie neuerdings unberücksichtigt bleiben. So wird beispielsweise nicht zwischen Rechtsanwälten und «gewöhnlichen» Juristen unterschieden.
Tatsache bleibt, dass die vorliegende Salärstatistik Lohnunterschiede nicht vollständig erklären kann. Auf einer solch mangelhaften Grundlage machen hoheitliche Interventionen keinen Sinn. Die Arbeitgeber fordern darum einen generellen Verzicht auf standardisierte Lohnkontrollen. Hingegen unterstützen sie die bestehenden rechtsstaatlichen Möglichkeiten, wonach Geschädigte auf betrieblicher Ebene lohndiskriminierende Praktiken einklagen können.