IV-Weiterentwicklung – nicht der grosse Wurf

15. Februar 2017 Medienmitteilungen

Der Bundesrat hat die Botschaft zur Weiterentwicklung der Invalidenversicherung (IV) verabschiedet. Die vorgeschlagenen Massnahmen reichen aber nicht, um die IV rasch und glaubwürdig zu sanieren. Stattdessen will der Bundesrat den Dachverbänden der Arbeitswelt quotenähnliche Verpflichtungen auferlegen. Es liegt nun am Parlament, diese starre und kontraproduktive Regelung zu streichen und die Reform mit griffigen Massnahmen zu verbessern.

Ein Schuldenberg von noch immer rund 12 Milliarden Franken sowie ein strukturelles Defizit von 600 Millionen Franken pro Jahr bei der Invalidenversicherung machen eine weitere Reform dieses Sozialwerks unumgänglich. Die Botschaft, die der Bundesrat nun vorlegt, enthält zwar sinnvolle Massnahmen, darunter die Fokussierung auf Kinder, Jugendliche und junge psychisch beeinträchtigte Menschen. Der Bundesrat verpasst es aber, weitere zwingend notwendige Sparmassnahmen zu ergreifen.

Renten für Junge nur in Ausnahmefällen
Gerade bei jungen Erwachsenen braucht es angesichts der hohen Zahl an Neurentnern eine Praxisänderung. Allein von den 18- bis 30-Jährigen werden jährlich 3000 zu Neurentnern, die grosse Mehrheit davon aus psychischen Gründen. Die Arbeitgeber fordern deswegen eine Prinzipienumkehr: Die Verrentung von unter 30-Jährigen soll die Ausnahme sein. Dazu zählen Kinder und Jugendliche mit schweren Geburtserkrankungen, die keine Aussicht auf eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt haben. Alle anderen Personen dieser Gruppe sollen nach Ansicht der Arbeitgeber über positive Anreize und gezielte Massnahmen ganz oder teilweise in den Arbeitsmarkt integriert werden. Statt einer Rente sollte ihnen ein befristetes Taggeld ausbezahlt werden, das mit spezifischen Eingliederungsmassnahmen verknüpft wird. Langfristig würde sich dies positiv auf Gesellschaft und Wirtschaft auswirken sowie die IV entlasten.

Abstriche bei den Zusatzrenten – Vollrente erst ab 80% Invalidität
Sparpotenzial im Umfang von jährlich 100 Millionen Franken besteht bei den Zusatzrenten für IV-Bezüger mit Kindern (sogenannte Kinderrenten) und bei den Reisekosten. Die zuständige Kommission des Nationalrats hat sich bereits 2014 dafür ausgesprochen, die Behandlung dieser im Rahmen der Revision 6b sistierten Massnahmen wieder aufzunehmen. Dafür ist der richtige Zeitpunkt jetzt gekommen.

Besonders kontrovers dürfte das Parlament den zweiten Versuch zur Einführung eines neuen linearen Rentensystems diskutieren. Gestützt auf eine Studie des BSV wollte der Bundesrat ursprünglich eine Vollrente ab einem Invaliditätsgrad von 80 Prozent ausrichten, um die Erwerbsanreize zu erhöhen. Nun schwenkte der Bundesrat aber aus politischen Gründen entgegen der Untersuchungsbefunde auf 70 Prozent um. Dies ist aus Sicht des Schweizerischen Arbeitgeberverbands nicht nachvollziehbar. Der Systemwechsel macht somit keinen Sinn.

Berufliche Eingliederung ohne staatlichen Zwang
Ein Eigentor schiesst der Bundesrat, indem er die Akteure der beruflichen Eingliederung gesetzlich zur Zusammenarbeit verpflichten will. Er setzt damit jahrelang aufgebautes Vertrauen eben dieser Akteure unnötig aufs Spiel. Bezeichnenderweise hielt er seine Idee in der Kommunikation zur Botschaft unter dem Deckel.

Mit seinem Vorschlag ignoriert der Bundesrat nicht nur den nachweislichen Kooperationserfolg der Akteure in den letzten Jahren. Mit einem staatlichen Korsett gefährdet er auch die eingespielte Zusammenarbeit zwischen IV, Suva, Privatversicherern, weiteren Akteuren wie Behinderten- und Eingliederungsorganisationen und den Arbeitgebern, deren Stärke in den bedarfsgerechten und flexiblen Strukturen liegt. Dank ihres Engagements im Rahmen der Organisation Compasso konnten seit 2012 rund 75’000 Personen ihre Arbeitsstelle behalten oder eine neue Stelle finden – Tendenz steigend.

Für die Arbeitgeber steht fest: Die Vorlage des Bundesrats stellt einen weiteren Schritt, aber nicht jenen grossen Wurf dar, der nötig wäre, um die IV nachhaltig und bald zu sanieren. Das Parlament muss nun nachbessern.

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