Nach wie vor ist die Geschäftslage gemäss KOF Geschäftslagenindikator gut. Die Herausforderung für Firmen liegt jedoch für einmal nicht bei der fehlenden Nachfrage aus den Absatzmärkten. Viel mehr beeinträchtigt sie der stark akzentuierte Fachkräftemangel und die hauptsächlich wegen China bestehenden Lieferkettenprobleme. Dies erschwert ihr wirtschaftliches Vorankommen und verunmöglicht in vielen Fällen die rechtzeitige Auslieferung von Produkten.
Die Lieferkettenprobleme führen zusammen mit den gestiegenen Rohstoffpreisen als Folge der Ukrainekrise zu einem Anstieg der Inflation. Im Mai stieg diese erneut von 2,5 auf 2,9 Prozent und wird in den nächsten Monaten weiter steigen. Obwohl dieses Niveau im Vergleich zur EU oder zu den USA moderat ist, ist man sich so hohe Inflationswerte hierzulande nicht gewohnt (vgl. Abbildung 1). Von dieser praktisch ausschliesslich importierten Inflation, profitieren auch die Unternehmen im Inland nicht, denn sie müssen die höheren Preise oft auf Kosten einer tieferen Marge tragen.
Abbildung 1: Die Inflationsraten in den europäischen Ländern. Mitten drin die Schweiz als Inflationsinsel mit einer Inflationsrate von 2.9 Prozent im Mai. Auf der Abbildung fehlt die Türkei, die im Mai eine Inflationsrate von 73.5 Prozent hatte.
Wie lange der Anstieg der Inflation noch anhält ist unklar. Der Preis von Energieträgern wie Rohöl ist stark spekulativ, im Gegensatz zu Preisen für Gas und Elektrizität, die in der Schweiz administriert sind und frühestens im kommenden Jahr angepasst werden können. Positiv stimmt die beschleunigte Aufhebung des Covid-Lockdowns in Shanghai und die tendenziell kürzeren Wartezeiten in den Häfen Chinas, wodurch wieder mehr umgeschlagen werden kann. Es bleibt allerdings die Frage, wie nachhaltig diese Entwicklungen vor dem Hintergrund der Covid-Situation in China sind.
Bleiben die Notenbanken, die mit ihrer Geldpolitik eine zentrale Hebelfunktion haben, um der hohen Inflation entgegenzuwirken. Die US-Notenbank FED hob den Leitzins im Mai bereits um 0,5 Prozentpunkte an, um der hohen Inflationsrate von über 8 Prozent entgegenzuwirken. Obwohl eine Trendwende erreicht zu sein scheint, ist in den USA den kommenden Monaten weiterhin mit einer Straffung der Geldpolitik zu rechnen. Ebenfalls kündigte die EZB bereits Zinsschritte an, womit auch die Schweizerische Nationalbank in Zugzwang kommen dürfte. Die Erhöhung der Leitzinsen wäre insbesondere deshalb zu begrüssen, weil dadurch das Risiko von Zweitrundeneffekten, wie zum Beispiel höhere Preise, gesenkt werden könnte.
Insbesondere in den USA, wo zukünftig ein starker Anstieg des Leitzinses zu erwarten ist, wird sich dies jedoch nachteilig auf die konjunkturelle Entwicklung auswirken. Nicht unwahrscheinlich ist dabei ein sogenanntes «hard landing», das eine Stagnation oder schlimmstenfalls sogar eine Rezession zur Folge hätte. Vor dieser potenziellen Abkühlung der US-Wirtschaft geht für die Weltkonjunktur und auch für die Schweizer Wirtschaft zurzeit die grösste Gefahr aus. Hinzu kommt die fragile Covid-Situation in China, und obwohl die Zeichen zurzeit weniger auf Sturm stehen als auch schon, kann man eine Verschärfung der Situation keinesfalls ausschliessen.
Fokussiert man auf den Schweizer Arbeitsmarkt, stellt sich unter anderem die Frage, inwieweit die Teuerung mit höheren Löhnen kompensiert werden kann. Es gibt keinen Automatismus, wodurch eine höhere Inflation notwendigerweise mit höheren Löhnen ausgeglichen werden muss. Dies noch weniger, weil die Inflation mehrheitlich importiert ist und die Schweizer Unternehmen demnach nicht davon profitieren können. Im Gegenteil kämpfen gerade auch Betriebe in einem harten Wettbewerb gegen höhere Preisen und eine sinkende Marge. Und obwohl die Geschäftslage in vielen Betrieben nach wie vor verhalten optimistisch ist, sinkt damit der Spielraum für Lohnerhöhungen. Kommt hinzu, dass die Betriebe die finanziellen Mittel in erster Linie dazu nutzen, um zukünftig finanziell nachhaltig aufgestellt zu sein und die Arbeitsplätze erhalten zu können. Die Arbeitnehmer profitierten in den letzten Jahren zudem oft von einer negativen Teuerung, was in den letzten zehn Jahren zu einem ansehlichen durchschnittlichen Reallohnwachstum von 0,8 Prozent führte.
Neben der Inflation senken letztlich auch die steigenden Krankenkassenprämien das verfügbare Einkommen der Konsumentinnen und Konsumenten. Deren Höhe entwickelt sich mehr oder weniger unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in den Unternehmen, weshalb diese Kosten bei der Bemessung der Lohnzahlungen kaum berücksichtigt werden. Dies ist auch richtig so. Es wäre sogar problematisch, wenn die Arbeitgeber die höheren Kosten kompensieren würden. Denn ein steiler Kostenanstieg ist auch ein Signal an die Politik, dieses Thema nachhaltig mit entsprechenden Massnahmen anzugehen.