Wir zeigen Gesicht: Simon Wey

1. Oktober 2019 5 Fragen an...

In loser Folge stellen wir die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV) vor. Simon Wey ist der Chefökonom der Arbeitgeber. Er will in Zeiten des Fachkräftemangels mit den Unternehmern dazu beitragen, Teilzeitangestellten, Eltern und älteren Mitarbeitern den Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt zu erleichtern.

 

Als Chefökonom haben Sie stets einen wachsamen Blick auf sämtliche Arbeitsmarktstatistiken. Eine Aufgabe mit Suchtpotenzial?

Es ist in der Tat so, dass ich die Datenauswertung und die anschliessende Interpretation sehr interessant finde. Auch war die Affinität zur Mathematik und zur Statistik ein zentraler Grund, weshalb ich mich zum Studium der Volkswirtschaftslehre entschieden habe. Die Arbeit mit Modellen schult das Erkennen von Zusammenhängen und das Ziehen der richtigen Schlüsse.

Wie lebendig und wettbewerbsfähig ist der Schweizer Arbeitsmarkt?

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch und resistent gegenüber konjunkturellen Schwankungen. Für mich ist es immer wieder erstaunlich, wie gut sich die Profile der Arbeitskräfte aus EU28/EFTA- und Drittstaaten mit jenen der hiesigen Arbeitskräfte ergänzen. Von einer systematischen Verdrängung der einheimischen Arbeitnehmer durch ausländische Arbeitskräfte ist keine Rede. Die Rekrutierungsmöglichkeit von ausländischen Fachkräften – sollten keine einheimischen Arbeitnehmer diese Stellenprofile abdecken können – ermöglicht es Schweizer Unternehmen, international erfolgreich zu konkurrieren und Wohlstand zu schaffen. Die arbeitsmarktlichen Rahmenbedingungen stellen zudem sicher, dass eine breite Bevölkerungsschicht am Erfolg der Unternehmen partizipieren kann. In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, dass es im Land nach wie vor Kreise gibt, die mit der Kündigungsinitiative das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU und damit alle sieben Abkommen der Bilateralen Verträge I leichtsinnig zerstören wollen.

Was macht den Arbeits- und Denkplatz Schweiz derart attraktiv?

Für viele Unternehmen ist die Verfügbarkeit von Fachkräften zur Besetzung ihrer Stellen ein wichtiger Vorteil, wenn nicht gar der wichtigste Standortvorteil. Mit den beiden weltweit anerkannten Eidgenössisch Technischen Hochschulen und zehn Universitäten kann die Schweiz einen substanziellen Anteil ihrer Spezialisten selbst ausbilden. Auch künftig wird sie jedoch einen beträchtlichen Teil ihrer Spezialisten im Ausland rekrutieren müssen. Daneben trägt die hohe Lebensqualität dazu bei, dass sich Fachkräfte und Unternehmen in der Schweiz niederlassen. Die politische Stabilität im Land ist ein weiterer wichtiger Standortvorteil, jedoch führen die sich häufenden und oft weitreichenden Initiativen rund um die Beziehung der Schweiz zur EU zu zunehmender Rechtsunsicherheit, was die Planungssicherheit der Unternehmen massiv tangiert.

 

Von einer systematischen Verdrängung der einheimischen Arbeitnehmer durch ausländische Arbeitskräfte ist keine Rede. 

Wo orten Sie Handlungsbedarf?

Die hohe Erwerbsquote täuscht über den Umstand hinweg, dass die Schweiz hinter den Niederlanden den höchsten Anteil an Teilzeit arbeitenden Personen und europaweit die höchste Unterbeschäftigungsquote bei den Erwerbstätigen aufweist. Zusammen mit den Erwerbslosen haben die Schweizer Unternehmen also die Chance, das Potenzial von bis zu 300’000 zusätzlichen Vollzeitstellenanwärtern zu erschliessen. Dafür müssten jedoch für die betroffenen Arbeitnehmer Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarktzugang geschaffen werden. Ich denke dabei hauptsächlich an die Erschliessung des Potenzials von Müttern dank eines genügenden und finanziell attraktiven Drittbetreuungsangebots für Kinder oder an eine Weiterbeschäftigung von älteren Arbeitnehmern über das Pensionsalter hinaus.

Welches ist Ihr Herzensprojekt?

Das ist die vorher angetönte Erschliessung des immensen Fachkräftepotenzials innerhalb unserer Landesgrenzen. Wie bereits ausgeführt, zeugen die Kennzahlen zum Schweizer Arbeitsmarkt von einer überwiegend guten Situation. Der internationale Vergleich zeigt aber, dass der Arbeitsmarktzugang für gewisse sozioökonomische Gruppen aus unterschiedlichen Gründen suboptimal ist. Eine solche Gruppe sind die Mütter, die überdurchschnittlich oft Teilzeitbeschäftigungen nachgehen und vielfach in tiefen Pensen arbeiten. Ursache dafür sind oft ungenügende oder finanziell unattraktive Drittbetreuungsangebote für Kinder wie Kitas oder Tagesschulen. Es ist für mich schwierig nachvollziehbar, weshalb diesbezüglich seit Jahren kaum grössere Fortschritte erzielt wurden – dies, obwohl der grosse Nutzen solcher Angebote für Mütter, Kinder, Wirtschaft und Gesellschaft wissenschaftlich zur Genüge nachgewiesen ist. Eine Studie aus den USA zeigt, dass jeder in diese Art der frühkindlichen Schulung investierte Dollar den siebenfachen gesellschaftlichen Ertrag einbringt. Für mich als Ökonom ist es deshalb unverständlich, weshalb die Politik so wenig Bereitschaft zeigt, Gelder in diesem Bereich zu investieren.