Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit: Forderungen des Gewerkschaftsbunds gehen zu weit!

22. Mai 2011 News

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund verlangt eine Verschärfung der Flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit: Neben einem massiven Ausbau der Kontrollen und einer besseren Bekämpfung der Scheinselbständigkeit fordert er u.a. neue Kündigungsschutz-Bestimmungen, mehr Normalarbeitsverträge mit Mindestlöhnen und die Übernahme von EU-Richtlinien. Der Schweizerische Arbeitgeberverband steht zu einer konsequenten Umsetzung der bestehenden Flankierenden Massnahmen, wendet sich aber gegen die drohende Überregulierung der Arbeitsverhältnisse mit ausländischen Arbeitskräften.

Der schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) behauptet einen Vollzugsnotstand bei den Flankierenden Massnahmen (FlaM) zur Personenfreizügigkeit CH-EU und leitet daraus weitgehende Forderungen zur Verschärfung dieser Massnahmen ab:

  • 50 Prozent aller Neuanstelllung von Ausländern in der Schweiz sollen auf Lohndumping kontrolliert werden.
  • Bund und Kantone sollen mehr Normalarbeitsverträge mit Mindestlöhnen erlassen.
  • Das Instrumentarium zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit soll erweitert werden.
  • Die Nicht-Einhaltung von normalarbeitsvertraglich festgesetzten Mindestlöhnen soll mit Bussen sanktioniert werden.
  • Kündigungen aufgrund der Einstellung einer billigeren Arbeitskraft sollen aufgehoben werden können.
  • Unternehmungen sollen solidarisch für die Einhaltung der FlaM durch ihre Unterakkordanten haften.
  • Die EU-Richtlinien zum Europäischen Betriebsrat und zu den Massenentlassungen sollen ins schweizerische Recht übernommen werden.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) bestreitet entschieden einen Notstand beim Vollzug der FlaM. Er jüngste Bericht des Seco zum FlaM-Vollzug, auf den sich der SGB bei seiner Behauptung beruft, lässt einen solchen Schluss nicht zu. Eine genaue Lektüre des Berichts zeigt vielmehr, dass die Einhaltung der FlaM wirksam (noch stärker als bisher!) kontrolliert wird und von einer generellen Verbreitung des Lohndumpings nicht die Rede sein kann.

Die Forderungen des SGB schiessen schon wegen der falschen Sachverhalts-Analyse weit übers Ziel hinaus. Sie zielen auf ein System, das nicht – wie heute – Missbräuche bekämpfen, sondern eine umfassende Kontrolle und Steuerung der Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeitskräfte ermöglichen soll. Mit der Aufhebung von Kündigungen und der Solidarhaftung der Unternehmungen für ihre Unterakkordanten enthalten die SGB-Forderungen überdies Elemente, die dem schweizerischen Recht fremd sind. Und die postulierte Übernahme der EU-Richtlinien über den Europäischen Betriebsrat und die Massentlassungen hat mit der Personenfreizügigkeit nichts zu tun.

Der SAV lehnt den vom SGB verlangten Kontroll- und Regulierungsschub ab. Er steht aber nach wie vor zu einer konsequenten Umsetzung der geltenden FlaM und ist auch bereit, relevante Schwachstellen im Vollzug zu beheben. Das gilt zum Beispiel für das Problem der Scheinselbständigkeit, das zurzeit von einer Arbeitsgruppe des Seco analysiert wird. Auch hier ist allerdings darauf zu achten, dass zusätzliche Schutzmassnahmen nicht zur Wettbewerbsbehinderung für Inländer werden.