Zwang als schlechtes Vorbild bei der Anstellung von handicapierten Menschen

8. November 2010 News

Travail.Suisse will Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitenden verpflichten, Behinderte anzustellen. Wer die Quote von 2,5% der Stellen nicht erfülle, müsste eine Abgabe zahlen. Der Schweizerische Arbeitgeberverband setzt jedoch auf die neuen gesetzlichen Instrumente der 6. IV-Revision, auf einen Mentalitätswechsel und die freiwilligen Integrationsanstrengungen.

Nach dem Vorschlag der Gewerkschaft Travail.Suisse sollen Betriebe ab einer Grösse von zehn Mitarbeitenden 2,5 Stellenprozente für Behinderte reservieren. Umgerechnet auf eine Betriebsgrösse mit 200 Vollzeitstellen ergibt dies fünf Vollzeitstellen für Behinderte. Wer der Einstellungspflicht nicht nachkommt, muss eine Abgabe bezahlen. Die Höhe der Abgabe soll von der Grösse des Betriebes abhängen. Die Einnahmen fliessen der Invalidenversicherung (IV) zu, welche damit Arbeitsplätze für Behinderte – beispielsweise in sogenannten Sozialfirmen – schafft.

Ein ähnliches, allerdings weniger strenges Modell hatte bereits die Sozialkommission des Nationalrates gutgeheissen. So sollen Firmen mit mehr als 250 Angestellten 1% handicapierte Menschen einstellen müssen. Um auf fünf Vollzeitstellen für Betroffene zu kommen, bräuchte eine Firma in diesem Fall 500 Vollzeitstellen. Ziel der 6. IV-Revision ist die Wiedereingliederung von 16 800 IV-Rentnern in den Arbeitsmarkt. Die Vorlage kommt in der Wintersession ins Parlament.

Gefahr von «Quoten-Integrierten» droht
Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) ist überzeugt, dass die neuen gesetzlichen Instrumente der 6. IV-Revision, wie sie der Bundesrat in seiner Botschaft vorschlägt, sowie ein allgemeiner Mentalitätswechsel die freiwilligen Integrationsanstrengungen zum Erfolg führen werden. Arbeitgeberbezogene Integrationsquoten, kombiniert mit einem Bonus-/Malussystem, führen dagegen nicht zum Ziel. Zwang und Quoten schaffen schlechte Voraussetzungen, um Behinderte in eine für sie angenehme Arbeitsumgebung zu integrieren.

Zudem besteht die Gefahr, dass die Betroffenen nur als «Quoten-Integrierte» geduldet und nicht als vollwertige Mitarbeitende in die Belegschaft aufgenommen werden. Mit Quoten und Ersatzabgaben würde zudem auf kaltem Weg eine Arbeitgebersteuer eingeführt und damit vom paritätischen Finanzierungsteil der IV abgewichen. Denn zum einen haben gewisse Arbeitgeber schon aufgrund ihrer Betriebsgrösse oder ihrer Tätigkeit nicht die Möglichkeit, Behinderte zu integrieren – für sie wäre der Malus somit eine unausweichliche Steuer –, und zum andern müssten die Arbeitgeber alleine für die Lösung eines Problems gerade stehen, welche nicht nur sie, sondern die ganze Gesellschaft betrifft.

Philosophie der 6. IV-Revision als Chance
Es ist allen Involvierten bewusst, dass der mit der 6. IV-Revision anvisierte Umfang des Rentenabbaus ambitiös ist. Nach Meinung des SAV wäre es jedoch angezeigt, durch eine aktive Unterstützung des eingeschlagenen Weges den Integrations-Erfolg zu suchen, statt bereits im Vorfeld der notwendigen Gesetzesrevisionen deren Misserfolg zu prognostizieren und «Schwarze Peter» zu verteilen. Herkulesaufgaben lassen sich nur gemeinsam lösen – dann, wenn alle an einem Strick und erst noch in dieselbe Richtung ziehen.