Arbeitgeber fühlen sich oft überfordert mit psychisch kranken Mitarbeitenden

5. Mai 2011 News

Arbeitgeber nehmen den Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitenden als weit verbreitetes Problem wahr. Sie fassen persönlichkeitsbedingte Schwierigkeiten oft als Problem des Charakters auf, dadurch werden die betroffenen Mitarbeitenden zu spät erfasst. Das zeigt eine Pilotstudie, an der über 1000 Personen – mehrheitlich Personalverantwortliche – teilnahmen.

Gemäss der Studie wird der Umgang mit psychisch kranken Mitarbeitenden von Arbeitgebern als weit verbreitetes Problem wahrgenommen. Arbeitgeber fühlten sich oftmals überfordert damit und fänden trotz grossem Engagement keine adäquaten Problemlösungen.

Psychische Krankheit oft als «Charakterproblem» wahrgenommen
Bemerkenswert ist, dass die Invalidenversicherung (IV) von den Befragten kaum ja als «Problemlöserin» genannt wurde. «Es fällt auch auf, dass die IV die Arbeitgeber nur in wenigen Fällen detailliert über die Folgen psychischer Erkrankungen für die Arbeitsfähigkeit, über den richtigen Umgang mit diesen Mitarbeitenden sowie über mögliche Arbeitsplatzanpassungen informierte», schreiben die Autoren der Pilotstudie, welche im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) erstellt sowie vom Arbeitgeberverband Basel und der Wirtschaftskammer Baselland unterstützt wurde. Rund 1000 Personen – vorab Personalverantwortliche mit Führungsfunktion sowie höhere Linienvorgesetzte – nahmen an der im Frühjahr 2010 durchgeführten Erhebung teil.

Die Studie zeigt zudem bei den betroffenen Mitarbeitenden eine bemerkenswerte Häufigkeit (55%) von persönlichkeitsbedingten Problemen am Arbeitsplatz. Nur in 40% der Fälle kommen längere Absenzen der Mitarbeitenden zum Tragen. In den meisten relevanten psychischen Problemsituationen kommt es gar nie zu Absenzen. Arbeitgeber nehmen die Schwierigkeiten oft nicht als psychische Krankheit wahr, sondern als Problem des Charakters. «Gerade diese Wahrnehmung führt aber dazu, dass die betroffenen Mitarbeitenden viel zu spät erfasst werden und Frühinterventionen gar nicht greifen», so die Studie.

«Professionelle Unterstützung fehlt»
Nur ein Viertel der Arbeitgeber wüssten von der Möglichkeit, dass sie betroffene Mitarbeitende relativ unkompliziert zwecks Früherfassung und Frühintervention bei der IV melden könnten. Es mangle primär nicht am Engagement der Arbeitgeber, sondern an der professionellen Unterstützung, an Information und Aufklärung sowie an konkreten, handhabbaren Instrumenten zur effizienten Problembewältigung in den Betrieben, bilanzieren die Autoren. Es müsse offen diskutiert werden, ob und wie die IV bereits in einem frühen Stadium als Ansprechpartnerin involviert werden könne.

Die Berentung aus psychischen Gründen stieg in den letzten Jahren in der Schweiz stark an. Die IV hat mit der 5. Revision ihre Aktivitäten zur Frühintervention ausgebaut und plant mit der kommenden 6. Revision, die Intervention im betrieblichen Vorfeld einer IV-Anmeldung noch zu verstärken.