Drei Fragen an Compasso-Präsident Martin Kaiser

30. Januar 2019 Medienbeiträge

Martin Kaiser beschreibt im Interview die Highlights von Compasso im letzten Jahr sowie die anstehenden Projekte und künftigen Ziele.

Martin Kaiser, was war Ihr persönliches Compasso-Highlight im 2018?
2018 war ein erfolgreiches Jahr für Compasso, auch die Anzahl Mitglieder ist weiter gewachsen. Wir dürfen nun knapp 90 Mitglieder zu unserem Netzwerk zählen. Das zeigt, dass sich immer mehr Arbeitgeber und weitere Akteure mit dem Thema auseinandersetzen und sich für die berufliche Eingliederung engagieren. Ihnen allen möchte ich an dieser Stelle für ihr Engagement auch herzlich danken. Denn ohne unsere Hauptsponsoren – den Schweizerischen Versicherungsverband SVV, die Helsana und die SUVA sowie den Schweizerischen Arbeitgeberverband SAV – unsere Sponsoren (IV-Stellen-Konferenz, SBB AG, Coop, Die Mobiliar, Die Schweizerische Post, Sanatorium Kilchberg, Swiss Life und Swisscom AG) und all unsere Mitglieder gäbe es Compasso nicht. Mein persönliches Highlight war eindeutig die Publikation unserer Studie „Jung und beeinträchtigt – ein erfolgreicher Weg in die Arbeitswelt“, in der wir uns das Ziel gesetzt hatten, den Handlungsbedarf für die erstmalige Eingliederung von Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung ins Arbeitsleben zu prüfen und notwendige Handlungsansätze zu identifizieren. Denn obwohl die Zahl der Neuberentungen gegenüber den 90er Jahren auf rund 13‘000 pro Jahr halbiert werden konnte, ist sie bei den Jugendlichen und jungen Menschen leider stabil geblieben. Rund 3000 Menschen unter 30 werden Jahr für Jahr in die Rente geschickt, zwei Drittel von ihnen aus psychischen Gründen. Kann ein junger Mensch mit einer Beeinträchtigung eine Ausbildung absolvieren und anschliessend mit professioneller Unterstützung im Arbeitsmarkt erfolgreich Fuss fassen, dann ist allen geholfen: dem potenziellen Arbeitgeber, dem jungen Menschen und den Sozialversicherungen, die nicht noch mehr unter finanziellen Druck kommen. Wenn wir und alle involvierten Akteure die identifizierten Massnahmen umsetzen, können wir die erstmalige berufliche Eingliederung in den nächsten Jahren gemeinsam vorwärtsbringen. Dies vor allem auch deshalb, weil wir den Fokus der Ausbildenden und der Auszubildenden ins Zentrum der Überprüfung gestellt haben. Denn nur, was für sie funktioniert, führt letztlich zu erfolgreichen und nachhaltigen erstmaligen Eingliederungen.

Welche Projekte sind für 2019 geplant?
Ein grösseres Projekt, das wir 2019 in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) starten, betrifft die Gleichstellung in der Arbeit. Der Erhalt und die (Wieder-) Erlangung der Arbeitsmarktfähigkeit von gesundheitlich beeinträchtigten Personen erfordert auf Seite der Unternehmen barrierefreie Rahmenbedingungen und praxisorientiertes Wissen zur Förderung eines inklusiven Umfelds. Die Bedeutung der Gleichstellung ist bei vielen Unternehmen noch wenig bekannt oder sie wissen nicht, wie sie am besten vorgehen sollen. Denn praxisorientierte Instrumente, Handlungsanleitungen und gute Praxisbeispiele sind wenig vorhanden. Mit Unterstützung des EBGB wollen wir gezieltere Informationen und praxiserprobte Werkzeuge auf unserer Webseite zur Verfügung stellen, um Arbeitgeber diesbezüglich in der praktischen Umsetzung besser zu unterstützen.

Selbstverständlich wird auch das Ressourcenorientierte Eingliederungsprofil (REP) weiterhin auf unserer Agenda stehen. Wir sind sehr erfreut, dass die Bekanntheit bereits gestiegen ist und wir gerade auch von Arbeitgebern ermutigende Rückmeldungen erhalten. Die Praxistauglichkeit als niederschwelliges, einfach aber wirkungsvoll zu handhabendes Instrument bestätigt sich. Insbesondere auch die IV will künftig gezielt mit dem REP arbeiten, in diese Richtung gehen auch die Überlegungen der Krankentaggeldversicherer. Doch auch Compasso macht weiter vorwärts. Neben Öffentlichkeitsarbeit wird das REP für die erstmalige berufliche Eingliederung resp. die Wiedereingliederung von Personen ohne aktuelle Anstellung weiterentwickelt. Damit entsprechen wir einem Wunsch diverser Institutionen und setzen auch eine Massnahme aus der vorerwähnten Studie zu den Jugendlichen um.

Ein weiterer Fokus liegt auch dieses Jahr wieder auf der Koordination zwischen Arbeitgebern und Systempartnern. Dazu werden wir gut verständliche „Systemlandkarten“ und einen Leitfaden publizieren. Damit sollen die oft schwer verständlichen Prozesse und die Schnittstellen zwischen den Systempartnern und den Arbeitgebern in der beruflichen Eingliederung transparent und gesamtheitlich aufgezeigt werden. Diese Praxishilfen sollen als Orientierungshilfe für alle Beteiligten dienen.

Welche Ziele verfolgt Compasso mittelfristig?
Je mehr Sponsoren und Mitglieder unser Netzwerk begrüssen darf, umso mehr Projekte können wir realisieren. Denn wir finanzieren uns ausschliesslich über Sponsoren- und Mitgliederbeiträge sowie allenfalls Stiftungs- und Projektbeiträge. Sicher wollen wir unsere Webseite KMU-freundlicher gestalten, weitere gelungene Beispiele aufarbeiten und zur Verfügung stellen sowie unsere Präsenz in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz verstärken. Einen besonderen Fokus legen wir auf die KMUs, weil diese im Unterschied zu den grossen Unternehmen nicht über eigene Fachleute und das notwendige Fachwissen verfügen. Je besser wir sie unterstützen können, umso erfolgreicher entwickelt sich die berufliche Eingliederung. Sobald die Finanzierung des Projekts sichergestellt ist, wollen wir unter Einbezug von Branchen- und Regionalverbänden und ihren Mitgliedern klären, wie wir die Bedürfnisse der KMU künftig noch besser abdecken können. Aus einer Vorstudie wissen wir zum Beispiel, dass viele KMU in einer schwierigen Situation einfach gerne zum Telefonhörer greifen würden. Sie brauchen häufig eine rasche Klärung des Vorgehens und eine entsprechende Beratung. Gerade wenn ein Mitarbeiter ernsthaft erkrankt oder verunfallt, ist es entscheidend, die Weichen möglichst frühzeitig richtig zu stellen. Die Arbeit wird uns also nicht ausgehen. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, mit unseren knappen Ressourcen – einem Budget von rund einer halben Million Franken – jeweils den richtigen Fokus zu legen und schlank die geforderten Ziele zu erreichen. Unser Erfolg basiert deshalb auch ganz stark auf dem Milizprinzip: unsere Sponsoren und Mitglieder engagieren sich nicht nur finanziell, sondern arbeiten gleichzeitig gratis und franko mit ihren besten Fachleuten in den Projekten von Compasso. Nur dank diesem Engagement konnten wir in wenigen Jahren bereits viel erreichen.

Das Interview mit Martin Kaiser ist im Newsletter von Compasso erschienen.