Kein weiterer Ausbau des Sozialstaats mit Elternzeit und Elterngeld

25. Oktober 2010 News

Die Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) fordert die Einführung einer Elternzeit und eines Elterngelds in der Schweiz. Nach ihrem Modell sollen Eltern 24 Wochen Elternzeit unter sich aufteilen können und dafür ein Elterngeld als Lohnersatz erhalten. Der Schweizerische Arbeitgeberverband lehnt einen solchen Ausbau des Sozialstaats, der über 1,1 Mrd. Franken kosten würde, entschieden ab.

Nach Auffassung der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) genügen die aktuelle gesetzliche Mutterschaftsentschädigung und der in einzelnen Firmen gewährte Vaterschaftsurlaub nicht, um Familien in der ersten Phase nach der Geburt eines Kindes zu unterstützen und zu entlasten. Sie hat deshalb in ihrer neuesten Publikation «Elternzeit – Elterngeld. Ein Modellvorschlag für die Schweiz» detaillierte Vorschläge zur Einführung einer Elternzeit und eines Elterngelds präsentiert.

EKFF lässt Frage offen
Die Elternzeit beträgt maximal 24 Wochen. Je vier Wochen davon entsprechen einem individuellen Anspruch von Mutter oder Vater, können also nur von dieser Person bezogen werden. Die Bezugsperiode dauert von der Geburt bis zur Einschulung. Ein Bezug in Teilabschnitten ist möglich. Die Einkommensersatzrate wird wie bei der Mutterschaftsentschädigung auf 80% festgesetzt mit einem oberen Plafond von 196 Franken pro Tag. Familien mit tiefen Einkommen profitieren von einer Einkommensersatzrate von 100% und einer leicht verkürzten Bezugsdauer. Die EKFF rechnet mit Kosten von 1,1 Mrd. bis 1,2 Mrd. Franken. Die Kosten hängen jedoch davon ab, wie hoch die Bezugsquote ist und wie die Aufteilung zwischen den Geschlechtern aussieht. Sollten die Väter mehr als die vier Wochen, auf die sie einen individuellen Anspruch haben, beziehen, wären die Kosten höher, weil die Ersatzeinkommen der Väter über denjenigen der Mütter liegen.

Die EKFF lässt offen, ob die Finanzierung des Elterngeldes über die Erwerbsersatzordnung (EO) oder über die Mehrwertsteuer erfolgt. Eine Finanzierung über die EO würde eine Erhöhung der Lohnprozente von je 0,2% für Arbeitnehmende und Arbeitgebende bedeuten. Bei einer Finanzierung über die Mehrwertsteuer müsste der Normalsatz um 0,4% bis 0,5% angehoben werden. Um den Bund verfassungsrechtlich zur Einführung einer Elternzeit zu verpflichten, müsste eine dem Artikel 116 Abs. 3 der Bundesverfassung (Mutterschaftsversicherung) entsprechende Bestimmung in die Verfassung aufgenommen werden.

Arbeitgeberverband lehnt Forderung ab
Der Schweizerische Arbeitgeberverband lehnt die Forderung nach neuen gesetzlichen Sozialleistungen klar ab. Nachdem der schweizerische Sozialstaat in den letzten zwei Jahrzehnten massiv ausgebaut wurde, stehen wir vor der Herausforderung, die langfristige Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme zu gewährleisten. Neue Belastungen in Milliardenhöhe würden die Lösung dieser ohnehin schon schwierigen Konsolidierungs- und Sanierungsaufgabe zusätzlich erschweren und passen überhaupt nicht in die sozialpolitische Landschaft. Kommt dazu, dass eine Elternzeit bei den Unternehmungen auch Arbeitszeit- und entsprechende Wertschöpfungsverluste zur Folge hätte, was zu weiteren, von der EKKF ausgeblendeten Kosten führen würde.

Firmen, die ihre Attraktivität als Arbeitgeber von Mitarbeitenden mit Familienpflichten erhöhen wollen, sollen das bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen berücksichtigen. Vielleicht werden sie im Gegenzug andere Leistungen im Gesamtpaket für ihre Mitarbeitenden eher tief halten. Die Definition des Gesamtpakets und seiner Elemente  ist Teil der Personalpolitik, die vom einzelnen Unternehmen zu formulieren und auch zu finanzieren ist. Dieser Zusammenhang darf nicht mit der Schaffung gesetzlicher Zwangssolidaritäten unterlaufen werden.

Arbeitsort Schweiz würde nicht attraktiver
Entgegen der Meinung des EKFF würde die Einführung des Modells «Elternzeit – Elterngeld» die Attraktivität des Arbeitsorts Schweiz nicht verbessern. Dagegen ist es sowohl für die Arbeitgeber wie für die Arbeitnehmenden wichtig, Steuern und Lohnabzüge nicht mit zusätzlichen Sozialkosten in die Höhe zu treiben. In der Schweiz müssen wir zudem verhindern, dass die im internationalen Vergleich bereits hohen Arbeitskosten wegen der Einführung neuer gesetzlicher Lohnabzüge weiter ansteigen.