Aktiv gestalten ohne Aktivismus

24. März 2017 Meinungen

Mitte März haben sich über 150 Meinungsführer von Bund, Kantonen und Verbänden zur zweitägigen Verbundpartnertagung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) getroffen. Sie erhielten die Aufgabe, an einer Vision und an strategischen Leitlinien für die Berufsbildung im Jahr 2030 – oder besser: für die absehbare Zukunft – zu arbeiten.

Die Digitalisierung verändert die Bedingungen und Inhalte der Berufsbildung unmittelbar. Derzeit weniger im Vordergrund stehen weitere, aber nicht weniger bedeutsame Trends in der Arbeitswelt: die fortschreitende Globalisierung, der Bedeutungszuwachs des Dienstleistungssektors, der zunehmende Bedarf nach höher Qualifizierten oder die steigende Mobilität und Flexibilität in den Arbeitsbeziehungen. Diesen Veränderungen gingen die versammelten Experten an der Tagung auf den Grund.

Dabei wurde offensichtlich: Ein gut geöltes berufliches Aus- und Weiterbildungssystem ist für unseren Wohlstand essenziell. Dies gilt umso mehr in Zeiten, in denen sich in unserer Volkswirtschaft ein verstärkter Fachkräftemangel abzeichnet, der sich durch die politisch gewollte Zuwanderungsbremse noch weiter akzentuiert.

 

Ein gut geöltes berufliches Aus- und Weiterbildungssystem ist für unseren Wohlstand essenziell.

Von technologischen Veränderungen gehen sowohl beschäftigungssteigernde wie auch beschäftigungssenkende Wirkungen aus. Innovationen zeigen sich in neuen Produkten, neuen Branchen und fortschrittlichen Berufsfeldern. Optimistisch stimmen zudem Produktivitätssteigerungen, die zu höheren Lohn- und Kapitaleinkommen und zu sinkenden Preisen führen. Die Kehrseite der Medaille offenbart sich bei der Substitution von Arbeitsplätzen oder wenn die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht mehr zu den vorhandenen Qualifikationen in der Bevölkerung passen. Gerade diesen Nachteilen muss besondere Beachtung geschenkt werden: Auch hier muss die arbeitsmarktorientierte Bildung ansetzen.

Erste vertiefte Analysen zeigen, dass Arbeitsplatzverluste, wie sie angelsächsische Forscher in bedrohlichen Szenarien entwerfen, für den Schweizer Arbeitsmarkt nicht zutreffen. Zwar werden neue Technologien zahlreiche Tätigkeitsprofile verändern. Ganze Berufe werden aber kaum überflüssig. Zudem verfügt unsere Bevölkerung – gerade wegen der hochwertigen Berufsbildung – über breite und solide Qualifikationen. Viele Arbeitskräfte durchlaufen eine Weiterbildung oder schliessen eine höhere Berufsbildung ab. All das stärkt die Beschäftigungsfähigkeit dieser Personen und macht unseren Arbeitsmarkt robust.

An der Verbundpartnertagung wurde der Ruf nach einer weitergehenden Flexibilisierung der heutigen Berufsbildung laut. Ebenso wurde gewünscht, Ausbildungen etwas breiter zu gestalten und die Zielgruppe der Erwachsenen bedarfsgerecht etwas besser zu pflegen. Erfreulicherweise blieb der sonst übliche Apell nach einer staatlich befeuerten Bildungsinitiative diesmal aus. Es scheint unbestritten: Staatlicher Aktivismus ist nicht angezeigt. Einig ist man sich hingegen darin, in den nächsten Monaten Leitlinien und eine gemeinsame Vision für die Berufsbildung 2030 zu entwickeln.

Um diese Stossrichtungen weiter zu verfolgen, ist die konstruktive Gestaltungskraft aller Verbundpartner nötig: Fortschrittliche Unternehmen, die sich in ihren Verbänden für eine zukunftsfähige Berufsbildung engagieren, eine umsichtige Systemsteuerung durch den Bund, ferner Kantone, welche die Bewegungen in der Berufsbildung mitmachen und Sozialpartner, welche diese Veränderungen konstruktiv begleiten und die Perspektive der Lernenden gezielt einbringen.

Es bleibt zu hoffen, dass der zukunftsorientierte Geist dieser Verbundpartnertagung nachwirkt und die «Berufsbildung 2030» nicht unter der Profilierung einzelner Akteure und der immer beliebteren parlamentarischen Bewirtschaftung von Scheinproblemen leidet, sondern nachhaltig verfolgt werden kann. Die laufenden Projektergebnisse sowie die angekündigten Analysen des Bundes zu den bildungssystemischen Herausforderungen der Digitalisierung sind zu bearbeiten – ohne in Aktivismus zu verfallen.