Sozialpolitik

Anreize für eigenverantwortliche Vorsorge gehören gestärkt statt geschwächt

Wer eigenverantwortlich fürs Alter spart, erhöht nicht nur die Chance auf einen sorgenfreien dritten Lebensabschnitt, sondern entlastet auch die Allgemeinheit. Dieses Sparen muss gemäss Bundesverfassung vom Bund ausdrücklich gefördert werden. Umso unverständlicher ist es, wenn im Rahmen des Entlastungspakets 27 (EP 27) Kapitalbezüge aus der 2. und 3. Säule höher besteuert werden sollen. Wer fürs Alter spart, muss belohnt, nicht bestraft werden. Der Rotstift muss im EP 27 bei den Ausgaben angesetzt werden.

Die Arbeitgeber stehen zur Schuldenbremse und tragen den Kurs des EP 27 im Grundsatz mit. Doch es braucht in gewissen Bereichen deutliche Korrekturen. Denn es kann nicht das Ziel sein, dass ein Paket, das den Bundehaushalt «entlasten» soll, neue Einnahmequellen erschliesst. Die Arbeit rund um das EP 27 zeigt deutlich, dass die Schweiz ein Ausgaben- und kein Einnahmeproblem hat, und dort gilt es auch anzusetzen: Bestehende Ausgaben müssen rigoros geprüft und bestehende Sparpotenziale genutzt werden.

Verschlechterung der Sparanreize widerspricht dem Verfassungsauftrag

Über Jahrzehnte wurden Bürgerinnen und Bürger durch steuerliche Anreize ermutigt, privat für ihr Alter zu sparen. Nun, nachdem der Bund sparen muss, will der Bundesrat die Spielregeln anpassen und schlägt vor, Kapitalbezüge aus der 2. und 3. Säule höher zu besteuern. Aus Sicht der Arbeitgeber gefährdet dies die Rechtssicherheit und widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben. Das Vertrauen in die Altersvorsorge würde damit nachhaltigen Schaden nehmen.

Die Bundesverfassung ist in Artikel 111 Absatz 4 klar: «Der Bund fördert […] die Selbstvorsorge namentlich durch Massnahmen im Bereich der der Steuer- und Eigentumspolitik.» Wenn also der Bund – wie im EP 27 vorgesehen – die Kapitalbezüge aus der 2. und 3. Säule höher besteuern möchte, so verstösst dies gegen den Verfassungsauftrag, das eigenverantwortliche Alterssparen durch Steuerpolitik zu fördern.

Statt die Personen, die durch vorausschauendes Sparen Verantwortung übernommen haben, zu belohnen, würden sie nun im Nachhinein bestraft. Diese Fehlentwicklung muss im parlamentarischen Prozess korrigiert werden.

Eigenverantwortung gehört gestärkt, nicht geschwächt

Die Altersvorsorge in der Schweiz kombiniert Elemente der Solidarität mit solchen der Eigenverantwortung, wobei stets die finanzielle Nachhaltigkeit des Systems gewährleistet sein muss. Dies bedeutet auch, dass die Anreize zur individuellen Vorsorge mindestens gleich attraktiv bleiben und tendenziell ausgebaut werden sollten.

Heute verzichten breite Kreise des Mittelstands auf Konsum, um Mittel fürs Alter anzusparen – sei es, indem sie freiwillig in ihre Pensionskasse einzahlen, oder mittels jährlicher Einzahlung in ihre 3. Säule. Damit verbessern sie ihre eigene Situation im Ruhestand. Sie tun mit diesem weitsichtigen Verhalten aber auch etwas für die Allgemeinheit, die Steuerzahlenden und die Solidargemeinschaft, indem sie ihre eigene Gefahr für Altersarmut – und damit staatliche, die AHV übersteigende Leistungen – minimieren. Solches Verhalten soll belohnt und nicht bestraft werden. Dementsprechend muss diese im EP 27 angedachte Massnahme gestrichen werden und die Konsolidierung über eine Ausgabendisziplin und Prioritätensetzung erfolgen.