Die Arbeitgeber begrüssen es, dass der Nationalrat sich heute für einen Vorrang von Mindestlöhnen in allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen vor kantonalen Mindestlöhnen ausgesprochen hat. Er folgt damit der Empfehlung des Arbeitgeberverbands und lässt sich nicht beeinflussen von der Kampagne von linken Kreisen, die in den letzten zwei Wochen gegen die Arbeitgeber und einzelne Personen gefahren wurde.
Es wurde auch gezielt Unwahrheiten und Halbwahrheiten gestreut, die bei Leserinnen und Lesern zu Missverständnissen führten und zu vielen Reaktionen. Diese Missverständnisse gilt es zu klären.
- Kontext und Fakten statt Polemik
Die medial kolportierte Aussage, es sei «nicht Aufgabe der Arbeitgeber, existenzsichernde Löhne zu zahlen», wurde aus dem Zusammenhang gerissen und in einer Weise instrumentalisiert, die einer differenzierten Diskussion nicht gerecht wird. Die ursprüngliche Aussage bezog sich explizit auf jene sehr kleine Gruppe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die trotz Erwerbstätigkeit auf ergänzende Unterstützung angewiesen sind – etwa rund 2 Prozent der Beschäftigten, oft Ungelernte mit geringer oder keiner Berufserfahrung. Solche Personen finden keine Arbeit respektive sind nicht als Arbeitskräfte nachgefragt, wenn die Lohnforderungen oder eben der Mindestlohn ein gewisses Mass überschreitet. Dass es diesen Menschen besser geht, wenn sie erwerbstätig sind als vollständig von der Sozialhilfe abhängig, sollte im gesamtgesellschaftlichen – und auch in Ihrem – Interesse liegen.
- Sozialpartnerschaft statt staatlicher Übersteuerung
Die Schweiz kennt mit der Sozialpartnerschaft ein bewährtes System der konsensorientierten Arbeitsmarktregulierung. Gesamtarbeitsverträge (GAV), wie sie zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart werden, berücksichtigen nicht nur Löhne, sondern auch Weiterbildungsangebote, Arbeitszeiten, Sozialleistungen und weitere branchenspezifische Rahmenbedingungen. Dieses bewährte System wird untergraben, wenn staatlich festgelegte Mindestlöhne unabhängig von wirtschaftlicher Tragfähigkeit oder branchenspezifischer Realität darüber hinweggehen.
- Mindestlöhne und Realität in den Branchen
Viele betroffene Unternehmen – insbesondere in personalintensiven Dienstleistungsbranchen wie Gastronomie, Coiffeurwesen, Textilpflege oder Bestattungsdienstleistungen – sind wirtschaftlich nicht in der Lage, flächendeckend, namentlich auch für Ungelernte, Löhne über einem fixen Schwellenwert zu zahlen. Das bedeutet keineswegs eine Geringschätzung der betroffenen Mitarbeitenden, sondern spiegelt reale betriebswirtschaftliche Herausforderungen wider. Die GAV-Löhne bewegen sich in einem sorgfältig austarierten Verhältnis zu Produktivität, Ausbildung und Arbeitsbelastung.
- Subsidiarität: Der Staat ergänzt, nicht ersetzt
Es gehört zum sozialen Ausgleich in einem wohlhabenden Land wie der Schweiz, dass der Staat subsidiär unterstützt, wo der Arbeitsmarkt Grenzen erreicht. Es ist deshalb nicht «Subventionierung von Tieflöhnen», sondern Ausdruck eines abgestimmten Systems, wenn punktuell ergänzende Sozialleistungen gezahlt werden, um Menschen in Beschäftigung zu halten.
- Die Gefahr politisch motivierter Eingriffe
Die jüngsten politischen Vorstösse gefährden das Gleichgewicht zwischen Arbeitsmarktflexibilität, Sozialschutz und unternehmerischer Verantwortung. Wenn die Sozialpartnerschaft – die in jahrzehntelanger Praxis Lohnschutz gewährleistet hat – durch politisch beschlossene Mindeststandards verdrängt wird, schadet das nicht nur der Wirtschaft, sondern auch dem sozialen Frieden.
- Arbeitskräftemangel verlangt Flexibilität statt Regulierung
Der Schweizer Arbeitsmarkt ist bereits heute durch einen akuten Fachkräftemangel geprägt – im zweiten Quartal 2024 waren über 100’000 Stellen offen. In den kommenden Jahren werden bis zu 300’000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. In dieser Lage dürfen Zugangshürden nicht weiter erhöht werden. Mindestlöhne, die an branchenspezifischer Realität vorbeigehen, gefährden insbesondere einfache Tätigkeiten, Wiedereinstiege und Einstiegsstellen für Menschen mit geringen Qualifikationen.
Die Arbeitgeber stehen ein für nachhaltige, sozialpartnerschaftliche Lösungen
Wir Arbeitgeber bekennen uns zur sozialen Verantwortung. Doch nachhaltige Lösungen entstehen durch Dialog am Verhandlungstisch – nicht durch populistische Kampagnen oder pauschale politische Eingriffe. Statt zusätzliche Regulierungen zu schaffen, sollten wir gemeinsam daran arbeiten, dass Gesamtarbeitsverträge weiterhin ihre wichtige Funktion für faire, differenzierte und tragfähige Arbeitsbedingungen erfüllen können.
Weitere Auskünfte
- Roland A. Müller, Direktor,
Tel. +41 79 220 52 29, [email protected] - Stefan Heini,
Ressortleiter Kommunikation
Tel. +41 78 790 66 32, [email protected]