IV-Weiterentwicklung: Kein Beitrag zur Sanierung

19. September 2019 News

Der Ständerat hat das Geschäft «IV-Weiterentwicklung» als Zweitrat beraten. Die Revision trägt in dieser Variante nichts dazu bei, den Schuldenberg der IV einigermassen zügig abzutragen. Die Vorlage geht nun zur Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat.

Ursprünglich hätte der IV-Schuldenberg gemäss Bundesrat bis 2024 abgetragen sein sollen. In der Vernehmlassung zur sich nun in der parlamentarischen Beratung befindenden Vorlage ging der Bundesrat jedoch bereits vom Entschuldungszeitpunkt im Jahr 2028 aus. In der Botschaft wurde der Termin dann auf 2030 verschoben –inzwischen geht er von frühstens Ende 2032 aus. Fakt ist: Die Schulden der IV bei der AHV betragen noch immer über zehn Milliarden Franken. Ein Blick in die Projektionen des Bundesamts für Sozialversicherungen lässt unschwer vermuten, dass selbst der Entschuldungszeitpunkt 2032 bald überholt sein dürfte. Es zeichnet sich damit ab, dass die Aussage, die IV sei auf Sanierungskurs, immer mehr zur Posse verkommt. Um die IV innert einer akzeptablen Frist zu sanieren, hätte es beim Geschäft «IV-Weiterentwicklung» (17.022) nun erst recht unpopuläre Entscheide gebraucht.

Ein zentraler Kritikpunkt des Schweizerischen Arbeitgeberverbands (SAV) am jüngsten Entscheid des Ständerats ist die Kinderrente. Der Nationalrat hat sich in der letzten Frühjahressession noch für eine Anpassung dieser Zulagen für IV-Rentner mit Kindern von 40 auf 30 Prozent ausgesprochen – davon will die kleine Kammer nun nichts wissen. Selbst der Bundesrat hat in der Vergangenheit wiederholt auf die problematischen Fehlanreize dieser Zulagen hingewiesen. Genau diese Zulagen können insbesondere für IV-Rentner mit mehreren Kindern und bereits sehr guten Renten dazu führen, dass diese sogar über ein höheres Einkommen verfügen als erwerbstätige Mittelstandsfamilien.

Wie die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt, wird es sozialpolitisch spätestens dann schwierig, wenn solche Mittelstandsfamilien den Eindruck erhalten, das Arbeiten lohne sich nicht mehr, weil vergleichbare Haushalte mit Unterstützung des Sozialstaats besser fahren. Anders als in dieser Diskussion häufig suggeriert, geht es bei der Kürzung dieser Zulage gerade nicht darum, bedürftige Rentnerfamilien in ihrer Existenzsicherung zu beschneiden, wie die NZZ zurecht festhält. Die Arbeitgeber gehen deshalb davon aus, dass der Nationalrat richtigerweise auf der Kürzung beharren wird, damit diese Reform wenigstens noch einen kleinen Beitrag an die längerfristige Entschuldung der IV leistet.

In wesentlichen Punkten bereinigt zwischen den beiden Räten ist die Vorlage bereits in einem anderen kritischen Punkt: der Einführung des neuen stufenlosen Rentensystems. Bereits ab einem Invaliditätsgrad von 70 Prozent soll es in diesem System künftig eine volle Rente geben. Die positive Anreizwirkung auf die berufliche Eingliederung dürfte damit bereits zum Vornherein verspielt sein. Trotzdem geht der Bundesrat davon aus, dass der Systemwechsel wenigstens kostenneutral vollzogen werden könne. Aufgrund der hohen Komplexität des neuen Modells und der absehbaren zusätzlichen gerichtlichen Auseinandersetzungen über die Festsetzung des IV-Grads befürchtet der SAV aber, dass die Durchführungskosten unterschätzt werden und das neue Rentensystem letztlich sogar zu spürbaren Mehrkosten führen wird.

Während nun die Chance verpasst wurde, die Anreize für eine bessere berufliche Eingliederung zu erhöhen, unterstützt das Parlament stattdessen unter dem Titel der «Zusammenarbeitsvereinbarung» die Absicht des Bundesrats, die Arbeitgeber auf Eingliederungsquoten zu verpflichten. Es negiert damit den seit Jahren grossen freiwilligen, erfolgreichen Einsatz der Arbeitgeber als Patronatsgeber des Netzwerks Compasso. Insgesamt überwiegen für die Arbeitgeber die Nachteile dieser Vorlage klar.