Frühe Zusammenarbeit lohnt sich

12. März 2018 Medienbeiträge

Compasso hat eine einfache Mustervereinbarung entwickelt, die es Krankentaggeld­versicherern und Pensionskassen von KMU ermöglicht, sich die Kosten für ein frühes Case Management zur beruflichen Reintegration zu teilen.

Die meisten Arbeitnehmenden sind glücklicherweise nicht länger andauernd krank. Längere bzw. häufige gesundheitsbedingte Absenzen sind für den Arbeitgeber aufgrund der Lohnfortzahlungspflicht allerdings kostspielig. Eine über längere Zeit arbeitsunfähige Person kann möglicherweise nicht mehr oder nur mithilfe unterstützender Massnahmen an ihren angestammten oder einen anderen Arbeitsplatz zurückkehren. So konnte auch im Rahmen der Evaluation der Eingliederung und der eingliederungsorientierten Rentenrevision der Invalidenversicherung (Guggisberg et. al. 2015, S. 70) gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Rückkehr an den Arbeitsplatz bei früher Intervention deutlich erhöht ist. Deshalb ist es angezeigt, arbeitsunfähige Personen so rasch wie möglich ganz oder teilweise beruflich zu reintegrieren.

Der Krankentaggeldversicherer entlastet versicherte Arbeitgeber nach einer vereinbarten Frist von ihrer Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a OR. Auch bei Einsetzen der Krankentaggeldleistungen führt eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit mittelfristig zu höheren Kosten beim Arbeitgeber. Der Leistungsaufwand wird in der Folge vom Versicherer in Form höherer Prämien wieder an den Arbeitgeber zurückgegeben. Neben dem Arbeitgeber hat der Krankentaggeldversicherer meist noch vor der Invalidenversicherung (IV) Kenntnis von längeren oder häufigen krankheitsbedingten Absenzen eines Arbeitnehmers. Damit kann er neben dem Arbeitgeber und als erster Versicherer allfällige berufliche Eingliederungsmassnahmen einleiten, um eine drohende Invalidisierung und die damit verbundenen Kosten zulasten der Arbeitgeber und der Sozialversicherungen möglichst früh und nachhaltig abzuwenden. Zu beachten ist, dass Krankentaggeldversicherer eher einen kurzfristigen Fokus haben, da sie nach spätestens zwei Jahren ihre Leistungen einstellen können.

Seit der 5. IV-Revision 2008 hat auch die IV im Rahmen der Früherfassung und Frühintervention zahlreiche Massnahmen getroffen, um die berufliche Eingliederung und Arbeitsmarktfähigkeit ihrer Versicherten zu stärken. Die Wirksamkeit der Instrumente und die Zusprachepraxis wurden im Rahmen des zweiten Forschungsprogramms zur Invalidenversicherung von 2010 bis 2015 (FoP2-IV) sehr gut untersucht. Allerdings kennen und nutzen insbesondere KMU die frühen Eingliederungsinstrumente der IV unzureichend. Überdies liegt die Zusprache von solchen Massnahmen im Ermessen der einzelnen IV-Stellen, weil es darauf keinen Rechtsanspruch gibt.

Das Case Management grosser Arbeitgeber ist beispielhaft
Pensionskassen haben bei gesundheitsbedingtem Ausfall einer versicherten Person einen langfristigen Fokus und profitieren von jeder möglichst früh abgewandten Invalidisierung. Grosse Arbeitgeber und einige Pensionskassen oder Sammelstiftungen verfügen bereits über standardisierte, erfolgreich erprobte Zusammenarbeitsprozesse im Case Management der beruflichen (Wieder-)Eingliederung. Einige davon haben ihre Erfahrungen als Mitglieder dem Verein Compasso zur Verfügung gestellt und die Entwicklung einer Mustervereinbarung zur Kostenteilung unterstützt. Diese sieht vor, dass sich Krankentaggeldversicherer und Pensionskassen die Kosten, die durch ein Case Management oder Jobcoaching entstehen, teilen. Damit soll v. a. bei KMU die Gewissheit bestärkt werden, dass ihre wichtigsten Kollektivversicherungen zusammenarbeiten und mithelfen, unnötige gesundheitsbedingte Abwesenheiten zu minimieren und Invalidisierungen wann immer möglich zu vermeiden.

Neben der geringen Kenntnis und Nutzung der frühen Eingliederungsoptionen verfügen KMU häufig nicht über HR-Strukturen, die ihnen einen professionellen Umgang mit Absenzen sichern. Gerade für diese Arbeitgeber ist es wichtig, dass die kurzfristigen Interessen des Taggeldversicherers mit den langfristigen Interessen der Pensionskassen verbunden werden. Die Versicherer wissen, dass eine rasche berufliche Eingliederung nicht nur die Kosten des Arbeitgebers, sondern sowohl kurz- bis langfristig auch die ihren senkt. Mit der Mustervereinbarung steht den Krankentaggeldversicherern und Arbeitgebern nun ein Instrument zur Verfügung, das es ihnen erlaubt, eine berufliche Reintegration früh zu planen und an die Hand zu nehmen.

Mustervereinbarung zur Kostenteilung
Der erste Prozessschritt beim Treffen einer Vereinbarung zur Kostenteilung sieht vor, dass der Kranktaggeldversicherer oder der Arbeitgeber sich mit seinem Wunsch zum Informationsaustausch an die Pensionskasse richten, v. a. wenn sie ein Case Management oder Jobcoaching als angezeigt erachten. Der Meldung ist bereits eine Vollmacht der versicherten Person beigefügt, in der die Zusammenarbeit zwischen Kranktaggeldversicherer und Pensionskasse für eine berufliche Eingliederung geregelt ist.

In einem kurzen telefonischen Austausch zwischen Kranktaggeldversicherer und Pensionskasse wird nur besprochen, ob bereits eine volle Wiederaufnahme der Arbeit geplant, und ob dafür eine unterstützende Massnahme sinnvoll ist. Sollte eine Unterstützung von beiden als notwendig angesehen werden, kann die Vereinbarung nach dem Modell von Compasso mit der einfachen Zustimmung aller Beteiligten getroffen werden. Für den Fall, dass eine schriftliche Vereinbarung notwendig ist, stellt der Verein auf seiner Website eine Vorlage in französischer und deutscher Sprache zur Verfügung.

Der Versicherer, der im Lead ist, beauftragt das Case Management, überwacht und kontrolliert den Einsatz, den Verlauf, das Erreichen der Zielsetzungen zur beruflichen Eingliederung und die Kosten. Zumeist handelt es sich um den Krankentaggeldversicherer. Arbeitgeber ohne Krankentaggeldversicherung können diese Rolle auch selbst übernehmen. Das Case Management dauert in der Regel wenige Monate und ist auf den Erhalt des Arbeitsplatzes oder den raschen Wechsel auf einen anderen Arbeitsplatz zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit ausgerichtet. Über die Vereinbarung kann sich die Pensionskasse mit minimalem Ermittlungsaufwand an den Kosten für die Eingliederung beteiligen und erhält dafür anschliessend einen Abschlussbericht.

Erwarteter Mehrwert
Von den Arbeitgebern wird erwartet, dass sie sich in der Arbeitsplatzerhaltung und Wiedereingliederung von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen engagieren. Wenn grössere Arbeitgeber mit einer autonomen oder teilautonomen Vorsorgelösung bereits ein intensives betriebliches Eingliederungsmanagement installiert haben, sehen ihre Pensionskassen oft keinen zusätzlichen Handlungsbedarf. Sie bestätigen aber, dass ein konsequentes Eingliederungsmanagement ihre jährlichen Neurenten wegen Invalidität um bis zu 70 Prozent reduziert hat und sich damit in jedem Fall lohnt. Davon sollen sämtliche Unternehmen profitieren können.

Insbesondere aber erlaubt die Zusammenarbeit dem Arbeitgeber auch in Konstellationen, in denen die IV nicht involviert ist bzw. Massnahmen der Frühintervention nicht unterstützt, professionelle Massnahmen zur beruflichen (Re-)Integration arbeitsunfähiger Mitarbeitender zu treffen. Stefan Ritler, Leiter Geschäftsfeld IV beim Bundesamt für Sozialversicherungen, ist überzeugt, dass die Zusammenarbeitsvereinbarung zur Kostenteilung auch den anderen Sozialversicherern und insbesondere der IV nützt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die frühzeitig reintegriert werden können, tragen ein geringeres Invaliditätsrisiko.

KMU sollen deshalb wissen, dass es Pensionskassen gibt, die an einer möglichst frühen Eingliederung interessiert und bereit sind, zumindest über den Weg einer Kostenbeteiligung zum Eingliederungserfolg beizutragen. Arbeitgeber sollen ermutigt werden, bei der Suche nach Versicherungspartnern gezielt danach zu fragen, ob ein Krankentaggeldversicherer oder eine Pensionskasse bereit ist, im Ernstfall zu kooperieren und die Arbeitgeber gemeinsam beim Arbeitsplatzerhalt zu unterstützen. Compasso stellt die entsprechenden Instrumente und Informationen zur Verfügung und weist im eigenen Newsletter und in Publikationen darauf hin. Mitglieder von Compasso, wie beispielsweise Branchenverbände und Versicherer, informieren ihre angeschlossenen Unternehmen darüber, dass es diese Option gibt. Aktives Leistungsfallmanagement hilft letztlich allen Beteiligten, die Kosten, und im Fall der Krankentaggeldversicherer, die Prämien zu senken.

Verbesserte berufliche Eingliederung – Arbeitgeberfokus beachtet und IV entlastet
Compasso legt den Fokus gezielt auf die Verbesserung der Zusammenarbeit der Systempartner. Mit der vorliegenden KMU-tauglichen Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Taggeldversicherern und den Trägern der beruflichen Vorsorge schliesst Compasso eine weitere Lücke für die Konstellationen, in denen die IV-Stellen nicht beteiligt sind. Davon profitieren nicht nur Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Pensionskassen, sondern letztlich auch die IV.

Der Beitrag von Martin Kaiser und Regina Knöpfel ist in «Soziale Sicherheit» CHSS erschienen.