«Mehr Druck wäre kontraproduktiv»

19. Juni 2015 Medienbeiträge

Der Druck auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) aus der Wirtschaft ist in den letzten Wochen gestiegen. Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt sagt, was er davon hält.

Herr Vogt, Sie rechnen wegen der Frankenstärke mit dem Verlust von 30’000 Jobs. Sind Sie enttäuscht, dass die SNB keine neuen Massnahmen ergreift, um den Franken abzuschwächen?
Nein. Ich bin zuversichtlich, dass die SNB wie bis anhin kluge Entscheide mit Augenmass im wirtschafts- und währungspolitischen Interesse der Schweiz fällen wird. Es ist nicht an uns, der SNB zu sagen, was sie zu tun hat.

Sie stimmen nicht in den Chor jener ein, die einen Währungskorb oder stärkere Interventionen am Devisenmarkt fordern?
Ein Währungskorb wäre eine mögliche Massnahme. Ich bin überzeugt, dass die SNB diese Idee auch sorgfältig prüft. Sie wird das Instrumentarium einsetzen, das ihr zur Verfügung steht. Viele dieser Instrumente haben keine kurzfristige, sondern eine mittel- bis langfristige Wirkung, ein Beispiel sind die Negativzinsen. Natürlich wäre es uns lieber, sofort Resultate zu sehen, aber wir müssen auch etwas Geduld haben.

Der Druck aus der Wirtschaft auf die SNB nehme zu, wird berichtet. Stimmt das also nicht?
Wenn Ihnen das Wasser bis zum Hals reicht, machen Sie sich deutlich mehr bemerkbar, als wenn Sie es am Bauchnabel haben. In vielen Betrieben nehmen die Probleme zu, die Industrievertreter wollen sicherstellen, dass man ihre Sorgen ernst nimmt. Mehr Druck auf die SNB auszuüben, erachte ich als kontraproduktiv. Ihr vorrangiges Ziel ist die Gewährleistung der Preisstabilität unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung. Es ist nicht ihre Aufgabe, Wirtschaftspolitik zu betreiben.

Geht es der Wirtschaft denn wirklich so schlecht? Die SNB rechnet damit, dass sie dieses Jahr trotz allem um 1 Prozent wachsen wird.
Diese Prognose ist aus meiner Sicht zu optimistisch, genauso wie jene des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) von 0,8 Prozent. Aus Gesprächen mit Unternehmern und meinen Beobachtungen schliesse ich, dass wir 2015 deutlich weniger wachsen werden. Ich bin eher auf einer Linie mit der KOF, die mit 0,4 Prozent rechnet. Ich bleibe darum auch bei meiner Prognose, dass wir mit einem Eurokurs von 1.05 Gefahr laufen, 30’000 Stellen zu verlieren.

Wer muss nun was unternehmen?
Die SNB muss weiterhin ihre Aufgabe wahrnehmen. Die Unternehmen müssen noch effizienter werden, innovieren und sich differenzieren. Und die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Wir erwarten keine Wunder, sondern klare Signale für die Wirtschaft, zum Beispiel durch Regulierungsmoratorien. Ich denke da an die Aktienrechtsreform oder die Revision der Luftreinhalteverordnung. Da liegt der Verdacht nahe, dass sie unangenehme Gesetze loswerden wollen. Gegen diesen Verdacht wehre ich mich vehement. Wenn der Druck auf die Unternehmen so gross ist wie jetzt, müssen Prioritäten gesetzt werden. Zudem wollen wir diese Gesetzesanpassungen nicht grundsätzlich abschiessen, sondern bloss für den Moment sistieren.

Das Interview mit Valentin Vogt ist im Tages Anzeiger erschienen.