Mangelhaftes Urteil des Bundesgerichts zum Mindestlohn

23. März 2018 News

Im vergangenen Jahr hat das Bundesgericht die Einführung eines flächendeckenden bzw. branchenübergreifenden Mindestlohns im Kanton Neuenburg geschützt. Gemäss einer Analyse des Urteils setzt sich das Bundesgericht nur ungenügend mit den Auswirkungen des Mindestlohns auseinander und missachtet bundesrechtliche Vorgaben.

Der Kanton Neuenburg hat aufgrund eines Entscheids seiner Stimmbevölkerung einen kantonalen Mindestlohn von rund 20 Franken pro Stunde eingeführt. Nachdem mehrere Verbände und Betriebe dagegen Beschwerde eingereicht hatten, entschied das Bundesgericht, dass die sozialpolitisch motivierte Massnahme mit der Wirtschaftsfreiheit und mit dem Bundesrecht vereinbar sei.

In einem kürzlich erschienenen Fachartikel werden der bundesgerichtliche Entscheid und dessen Auswirkungen unter die Lupe genommen. Darin wird unter anderem aufgezeigt, dass das Bundesrecht in Sachen Lohngestaltung eine abschliessende Regelung enthält: Das schweizerische Arbeitsrecht geht vom Grundsatz der Lohnfreiheit aus, der einzig durch die im Gesetz selbst vorgesehenen Instrumente (Normalarbeitsvertrag mit zwingenden Mindestlöhnen und allgemeinverbindlich erklärter Gesamtarbeitsvertrag) eingeschränkt werden kann. Raum für einen kantonalen Mindestlohn dürfte somit nur im Rahmen eines kantonalen Normalarbeitsvertrags bestehen.

Ein kantonaler Mindestlohn lässt sich aufgrund seiner negativen Wirkung auch nicht mit der verfassungsmässig garantierten Wirtschaftsfreiheit vereinbaren. Namentlich ist hier auf die bundesrätliche Botschaft zur Mindestlohn-Initiative zu verweisen, die das Bundesgericht in seiner Urteilsbegründung ignoriert hat. Dies ist umso befremdlicher, als das Stimmvolk im Entscheid vom 18. Mai 2014 den Argumentationen der Botschaft gefolgt ist und sich klar gegen einen Mindestlohn entschieden hat. Mag ein undifferenzierter Mindestlohn in einer wirtschaftlich stabilen Phase unproblematisch sein, wird er spätestens in einer Rezession negative Auswirkungen zeitigen, zumal es sich weltweit um den höchsten Mindestlohn handelt. Der Entscheid des Bundesgerichts ist aus diesen Gründen nicht nachvollziehbar und im Rahmen künftiger Rechtsprechung zu korrigieren.