Lohnpolizei: Weit übers Ziel hinaus geschossen

26. November 2015 Medienbeiträge

Der Bundesrat will Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden vorschreiben, regelmässige Lohnanalysen durchzuführen und diese durch Dritte kontrollieren zu lassen. Diese staatliche Intervention ist weder legitimiert noch wirksam.

Der Bundesrat will Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden vorschreiben, regelmässige Lohnanalysen durchzuführen und diese durch Dritte kontrollieren zu lassen. Vor Wochenfrist begründete Bundesrätin Simonetta Sommaruga die Vorlage mit der vermeintlichen «Lohndiskriminierung» der Frauen in der Höhe von 8,7 Prozent. Zeitgleich pflichtete der Bundesrat einer Studie des Bundes bei, wonach die Standard-Analysemethode, welche für betriebliche Lohnkontrollen angewendet wird, angeblich für den Nachweis der Gleichstellung von Mann und Frau geeignet sein soll.

Diese staatliche Intervention ist ungerechtfertigt und schädlich. Zunächst ist der im Schnitt um 8,7 Prozent tiefere Lohn für Frauen deshalb nicht diskriminierend, weil wichtige Lohnkomponenten – etwa die effektive Berufserfahrung, detaillierte Angaben zur Ausbildung und auch das konkrete Anforderungsprofil der Arbeitsstelle – in den Erhebungen des Bundesamts für Statistik nicht erhoben werden. Diesen Fehler haben inzwischen auch die Statistiker eingesehen. Sie bezeichnen die Lohndifferenz nur noch als «nicht erklärbar» und nicht mehr als «Diskriminierung».

Darüber hinaus ist auch das sogenannte Standard-Analysemodell des Bundes ungeeignet, eine Lohndiskriminierung zu messen, da es dieselben Mängel aufweist wie die Erhebungen des Bundesamtes für Statistik. Werden auf dem Schweizer Arbeitsmarkt zur Lohnfestlegung namentlich effektive Berufserfahrung, Ausbildungsgang, Weiterbildungen oder Verfügbarkeit ausgeklammert, bleiben zentrale Lohnkomponenten unberücksichtigt. Zwar erachtet die Studie des Bundes diese zentralen leistungsorientierten Faktoren als potenziell diskriminierend. Diese Ansicht zielt jedoch völlig an der wirtschaftlichen Realität vorbei.

Die Studie des Bundes geht indirekt davon aus, dass sich der «richtige Lohn» aufgrund mathematischer Berechnungen zweifelsfrei berechnen lasse. Doch das ist so unmöglich, wie den «richtigen Preis» für einen Haarschnitt festzulegen. Ein solch vereinfachtes Abbild der Wirtschaft ist eine Fingerübung im Elfenbeinturm. Ebenfalls irritierend ist, dass sich gemäss Studie die Mehrheit der Unternehmen für das Standard-Analysemodell aussprechen. Diese Behauptung ist insofern falsch, als sie aufgrund eines missverständlichen Fragekatalogs der Studie des Bundes zustande kommt. Hingegen lehnen die von uns befragten Arbeitgeber das Standard-Analysemodell des Bundes für die Feststellung einer Lohndiskriminierung praktisch unisono als untauglich ab.

Enormer bürokratischer Aufwand ist programmiert

Staatlich verordnete Lohnkontrollen sind weder legitimiert noch wirksam. Wenn die private Lohnpolizei mit solch untauglichen Instrumentarien die Lohndiskriminierung feststellen soll, ist der enorme bürokratische Aufwand bereits programmiert. Auch eine schwarze Liste, auf der ohne effektiven Nachweis eine Lohndiskriminierung angeprangert wird, ist absurd. Vorverurteilungen in unserem Rechtssystem sind verpönt, zumal zur Bekämpfung von Lohndiskriminierung ausreichende Instrumentarien bestehen. So können bereits heute Einzelpersonen und ihre Arbeitnehmerverbände durch gerichtliche Klagen wirksam gegen Lohndiskriminierung vorgehen.

Die staatliche Intervention lenkt zudem von den eigentlichen Schlüsselthemen ab. Arbeitgeber haben ein ureigenes Interesse an einer verstärkten Nutzung von weiblichen Fachkräften. So muss es gelingen, die Arbeitspensen der Frauen zu erhöhen sowie gesetzliche und steuerliche Abhalteeffekte für Zweitverdiener-Ehepaare zu beseitigen. Das sind Ansatzpunkte, mit denen sich die statistisch festgestellte Lohnungleichheit wirksam beheben lässt.

Der Bundesrat sollte sich nicht mit Scheuklappen auf die Unternehmensüberwachung fokussieren, sondern sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen einsetzen. Nur ein liberaler Arbeitsmarkt mit den optimalen Rahmenbedingungen setzt die richtigen Anreize und garantiert eine effektive Gleichstellung. Zwangsmassnahmen mit einer Lohnpolizei schiessen hingegen am Ziel vorbei.

Der Artikel von Roland A. Müller ist in der «Handelszeitung» erschienen.