Gewerkschaftspolitik versus echter Lohnschutz

18. März 2014 Meinungen

Die Gewerkschaften betreiben unter dem Deckmantel der flankierenden Massnahmen Gewerkschaftspolitik in Reinkultur. Das ist aus Arbeitgebersicht verfehlt.

Die sogenannten flankierenden Massnahmen (FlaM) galten bis vor dem 9. Februar unwidersprochen als siamesische Zwillinge der Personenfreizügigkeit. Für einmal ist der Wortlaut des Entsendegesetzes in Artikel 15 bemerkenswert klar: «Dieses gilt, so lange das Freizügigkeitsabkommen (FZA) in Kraft ist.» Zurzeit ist das Schicksal dieses FZA – und damit der FlaM – völlig offen. Es zeichnet sich ein Grundkonsens ab, die Bilateralen Verträge mit einem neu auszuhandelnden FZA (denn jegliche Zuwanderungssteuerung widerspricht dem heutigen) retten zu wollen. Damit beginnt die Quadratur des Zirkels; denn ob die EU und ihre 28 Mitgliedstaaten einem solchen Ansinnen je zustimmen werden, ist nicht absehbar. Bis auf Weiteres bleiben die FlaM aber in Kraft und der Schweizerische Arbeitgeberverband setzt sich für deren konsequenten Vollzug und somit für die Bekämpfung allfälligen Lohndumpings infolge der Personenfreizügigkeit ein.

Aus der eingangs geschilderten, unsicheren und damit für den Wirtschaftsstandort Schweiz höchst schädlichen Situation versuchen nun viele Kapital zu schlagen. Während die einen mit Blick auf ein Kontingentssystem unreflektiert mit dem sofortigen Wegfall sämtlicher Lohnschutzbestimmungen (FlaM) drohen und damit Wasser auf die Mühlen der Befürworter der Mindestlohn-Initiative lenken, nutzen die Gewerkschaften andererseits die Gunst der Stunde und betreiben unter dem Deckmantel einer angeblichen Missbrauchsbekämpfung reine Gewerkschaftspolitik. Unter dem Titel eines angeblich notwendigen, weiteren FlaM-Ausbaus wird versucht, die Allgemeinverbindlicherklärung der GAV zu forcieren.

Auf diesem Weg soll schweizweit ein Mindeststandard an Arbeitsbedingungen eingeführt werden – notabene ein Mindestlohn. Eine geschickte Alternativstrategie der Gewerkschaften zu ihrer Mindestlohn-Initiative! Dass bei diesen Absichten in ihrer Optik die heutige Tripartite Kommission (TPK) stört, welche bisher den Missbrauch prüfte und damit eine erleichterte GAV-Allgemeinverbindlicherklärung gegenüber Dritten legitimierte, ist klar. Dass dabei in ihrer Optik das Arbeitgeberquorum generell stört und sie dieses deshalb abschaffen wollen, ist klar. Dass sie dabei am liebsten alle GAV-Bestimmungen allgemeinverbindlich erklären wollen und nicht nur, wie heute zur Missbrauchsbekämpfung vorgesehen, die im Gesetz erwähnten, ist klar. Dass dabei ein solches System nicht nur für einzelne (Fokus-)Branchen gelten soll, sondern gleich für alle, ist ebenso klar.

Zu offensichtlich sind hier die Absichten der Gewerkschaften – Gewerkschaftspolitik in Reinkultur unter dem Deckmantel der FlaM, und dies mit Unterstützung des Bundesrats. Denn in der heutigen Situation wäre ein klarer Entscheid der Landesregierung nicht nur wünschbar, sondern angezeigt gewesen: Rasche Optimierung des FlaM-Vollzugs und Sistierung eines materiellen FlaM-Ausbaus.

Die Arbeitgeber in der Seco-Arbeitsgruppe zeigten einen Kompromiss auf. Doch der Bundesrat konnte sich nicht dazu durchringen und sucht weiter – nach dem Kompromiss des Kompromisses! Immerhin, ein Trostpflaster für die Arbeitgeber, hat der Bundesrat den Gewerkschaftsanliegen nicht entsprochen. Er realisierte offenbar, was sich unter dem Deckmantel der gewerkschaftlichen Missbrauchsbekämpfung verborgen hatte.